E-Book-Reader Kindle im Test: Zu wenig Auswahl, mäßige Bedienung

Amazons E-Book-Reader Kindle ist nun auch in Deutschland erhältlich. Das Gerät hat trotz einiger Nachteile seinen Reiz, könnte aber bald veraltet sein, zeigt der taz.de-Test.

Immerhin keine Zusatzkosten für den Drahtloszugang: der Kindle. Bild: dpa

BERLIN taz | Wer den seit wenigen Wochen erhältlichen, internationalen Kindle bei Amazon bestellen will, muss das auf der US-Website des Online-Shopping-Riesen tun. Dort ist das E-Book-Lesegerät für zunächst attraktiv wirkende 259 Dollar zu haben. Allerdings kommen dazu noch Lieferkosten nach Deutschland plus Einfuhrmehrwertsteuer und Zoll. Amazon schätzt nach aktuellem Kurs, dass so mindestens 256 Euro zusammenkommen - eventuell mehr. Was man schließlich erhält, ist dann auch eine durch und durch amerikanische Kindle-Version: Das Handbuch ist in englischer Sprache verfasst und auch der Netzstecker liegt in der US-Variante bei (allerdings kostet ein entsprechender Adapter nur wenige Euro).

Auch beim Buchangebot sind vor allem Freunde amerikanischer und englischer Literatur angesprochen: Amazon hat sich bislang kaum andere Rechte sichern können. Außerdem ist selbst das Gesamtangebot, das bei über 300.000 Titeln liegt, für Nichtamerikaner manchmal eingeschränkt: Diverse Bestseller gibt's nur mit US-Wohnsitz. Außerdem schlägt Amazon eine Auslieferungsgebühr plus Mehrwertsteuer für den internationalen Kindle-Einkauf drauf. Die berühmten 10-Dollar-Bücher, die es in den USA gibt, sucht man deshalb bei uns vergeblich.

Äußerst praktisch ist dagegen, dass Amazon neben dem erwähnten internationeln Buchaufschlag keine Zusatzkosten für den Drahtloszugang verlangt. Dazu hat das Unternehmen ein internes Roaming-Abkommen mit dem US-Mobilfunkkonzern AT&T geschlossen. Egal wo man sich mit seinem Kindle auf der Welt befindet, man hat meist Empfang und kann neue Bücher herunterladen. Diese "Whispernet" genannte Technik funktioniert fast immer tadellos.

Das Display des Kindle hat ebenfalls etwas Magisches: Die verwendete elektronische Tinte, die nur bei Veränderung des Bildinhalts Strom verbraucht, ist wie versprochen gestochen scharf. Allerdings ist der Hintergrund eher grau als weiß wie auf Papier und man benötigt im Dunkeln eine Beleuchtung. Findige Zubehöranbieter haben deshalb die gute, alte Leselampe für E-Reader wiederbelebt. Auch ist die Technologie längst nichts mehr Besonderes: Der Kindle verwendet den gleichen Bildschirm wie zig andere Unternehmen auch, es gibt nur einen amerikanisch-taiwanesischen Zulieferer für alle. Und: Sollte Apple tatsächlich in einigen Monaten ein attraktives, flaches und stromsparendes Computertablett auf den Markt bringen, werden Kindle und Co. schnell effektiv alt aussehen - denn das wird mit Sicherheit Farbe und Videos beherrschen, während E-Ink nur langsame Schaltzeiten bietet. Auch ist das Display des internationalen Kindle-Models mit 6 Zoll ziemlich mickrig; die größere Version mit 9,7 Zoll, der Kindle DX, wird bislang nur in den USA verkauft.

Und dann wäre da noch die Bedienung des Kindle. Die ist, wenn man nett sein möchte, durchwachsen. Das fängt bereits mit den Hardware-Knöpfen an: Warum gibt es beispielsweise zwei "Nächste Seite"-Knöpfe links und rechts vom Bildschirm, aber nur eine "Vorherige Seite"-Taste? Im Test drückt man ständig auf "Nächste Seite", weil man meint, der linke Knopf müsste doch eigentlich zurück führen. Aber nein: Die Taste oberhalb tut das, die man nur mit Verrenkungen erreicht. Warum überhaupt solche Hardwareknöpfe nötig sind und Amazon nicht einfach das ebenfalls vorhandene Trackpad für das Blättern verwendet, wissen nur die Hardware-Designer des Buchkonzerns allein. Auch die Menüführung ist keineswegs übersichtlich. Zwischen "Archivierten Inhalten" und aktuell auf dem "Home"-Bildschirm verfügbaren Werken verliert man schnell den Überblick.

Wenig gut gelöst ist auch die Anzeige von Zeitungen und Magazinen. Die "Frankfurter Allgemeine", neben dem "Handelsblatt" aktuell der einzige deutschsprachige Neuigkeiten-Inhalt auf dem Kindle, muss artikelweise gelesen werden, wenn man sich nicht durch ellenlange Listen kämpfen will. Das Zeitungslayout ist dabei nicht vorhanden, es handelt sich um reinen Text ohne Bilder. Immerhin bekommt man sein Lieblingsblatt jeden Morgen automatisch drahtlos zugestellt und kann das Abo 14 Tage kostenlos testen.

Die Frage, die sich abschließend stellt, muss schlicht darauf lauten, ob man den lange erwarteten Kindle wirklich braucht. Das Gerät ist zwar sicherlich schick (die Bedienprobleme sind bei der Konkurrenz teilweise noch schlimmer), doch werden clevere Käufer lieber warten, was andere Hersteller in den nächsten Monaten sonst noch auftischen. Zumal man sich, sollte man einen Kindle kaufen, für lange Zeit festgelegt hat: Alle darauf liegenden Bücher lassen sich nicht auf andere Geräte übertragen. Diese Suppe hat den Lesern Amazon im Konzert mit den Verlagen eingebrockt, wo man schwere Ängste vor Raubkopierern hegt.

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