Streit um Zugang zu Pornoseiten: Wer ist Schmuddelkönig?

Zwei Anbieter von Sicherheitssystemen für Pornoseiten streiten vor Gericht. Das Urteil hat für hiesige Pornofreunde wenig Bedeutung: Die surfen lieber auf ausländischen Seiten.

Ein Gang in die Videothek oder ins Striplokal ist bald unstrapaziöser als das Anmelden auf Pornoseiten. Bild: ap

Vor dem Bundesgerichtshof liefern sich derzeit zwei Anbieter von Sicherheitssystemen für Pornoseiten einen Streit mit eher symbolischem Charakter: Während der eine Anbieter mit einem komplizierten Prüfsystem Jugendliche vom Besuch von Schweinkramseiten abhalten will, klagt sein Konkurrent dagegen. Das Sicherheitssystem von Anbieter 1 beruht auf dem so genannten PostIdent-Verfahren. Bei dem von der Deutschen Post AG entwickelten System muss der Kunde erst mit seinem Personalausweis auf dem nächsten Postamt vorstellig werden, bevor er eine deutsche Seite mit jugendgefährdendem Inhalt besuchen kann. Bei einer anderen Version sind Name, Adresse und Kreditkartennummer oder Bankverbindung nötig.

Anbieter 2 gehen beide Versionen aber nicht weit genug: Das System sei nicht sicher genug und verletze damit den Jugendmedienschutz-Vertrag (JMSTV). Das Gericht ließ die Klage zu: Das AVS der Beklagten stelle nämlich nicht sicher, dass pornografische Darbietungen Personen unter 18 Jahren nicht zugänglich seien.

"Geschlossene Benutzergruppen sind der wichtigste Schutz im Internet vor jugendgefährdenden Inhalten", sagt Friedemann Schindler von Jugendschutz.net. "Dadurch werden sowohl der Zugang als auch die Auffindbarkeit von Pornoseiten im Netz erschwert. Nur bei Type-in-Domains, die auf dem Schulhof getauscht werden, sind wir natürlich machtlos."

"Nur" ist gut. Im Klartext bedeutet dies: Wer die Adresse einer ausländischen Pornoseite kennt, muss sie nur eintippen. PostIdent und geschlossene Benutzergruppen bringen da wenig bis nichts.

So speziell der Streit zunächst klingen mag - er macht wieder einmal klar: Die deutsche Pornobranche hat ein Standortproblem. Mittels nationaler Gesetze in Form von Alters- und Identitätskontrollen soll der deutsche Jugendliche vom Schmuddelkram ferngehalten werden.

Alles sehr wichtig und richtig. Der Schutzbefohlene aber surft längst auf amerikanischen, holländischen oder weißrussischen Seiten. Dort genügt - wenn überhaupt verlangt - ein Klick, mit dem der Besucher bestätigt, dass er 18 beziehungsweise 21 Jahre alt ist. In sehr seltenen Fällen muss zusätzlich noch eine (Fantasie-) E-Mail-Adresse angeben werden. Angesichts dessen wirkt die deutsche Debatte wie eine Farce.

Nationale Pornosperre

Sein muss das Sicherheitssystem in Deutschland aber trotzdem unbedingt, meint Rechtsanwalt Andreas Neuber. Der Jurist berät deutsche Pornoanbieter. "Hier gilt nationales Recht, und das Urteil wird weitreichende Folgen für den Wettbewerb unter deutschen Seiten haben. Die Gesetzeslage in Sachen Jugendschutz ist nun mal eindeutig."

Erst im September hatte der hessische Konzern Arcor seinen rund vier Millionen Kunden den Zugang zu drei Pornoseiten gesperrt. Darunter auch die Seite youporn.com. Das Portal ist eine Art Youtube für Pornofilme und steht in der Rangliste der am häufigsten besuchten Webseiten in Deutschland auf Platz 16. Zu den Gründen wollte sich Arcor nicht äußern. Fest stand nur: Grund für die Sperre war keine Behörde, sondern ein deutscher Pornoanbieter. Der sah sich gegenüber ausländischen Konkurrenten benachteiligt, da er selbst strengere Jugendschutzauflagen befolgen musste. Die Server ausländischer Seiten stehen irgendwo in den Weiten der russischen Steppe oder des Mittleren Westens - dort schert man sich herzlich wenig um den deutschen Jugendschutz.

Bleibt die Frage: Wer von den über Achtzehnjährigen soll angesichts solcher Schikanen noch auf deutschen Pornoseiten surfen? Da ist ein Gang in die Videothek fast weniger strapaziös als ein entlarvendes "PostIdent-Verfahren".

Rund zwölf Prozent aller Internetseiten im Netz haben einen pornografischen Inhalt, und etwa 30 Milliarden Euro jährlich setzen die Betreiber solcher Webseiten weltweit um. Auf deutsche Pornoangebote entfällt ein kläglicher Bruchteil.

Dabei gilt die Pornobranche als wichtiger Innovationsmotor für die Wirtschaft: Die VHS-Kassette verdankt ihren Siegeszug Ende der 70er Jahre der Sexindustrie, und Bezahlsysteme hätten sich ohne Pornoseiten niemals durchgesetzt. Die Branche inspiriert Werbung, Mode und Sprache.

Das Urteil in dem Prozess stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Nur so viel weiß man jetzt schon: Leidtragender ist die deutsche Pornoindustrie. Die hat im Ausland ohnehin einen zweifelhaften Ruf: Das Adjektiv "German" steht in der Branche für Fäkalerotik.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.