Zensur im Internet: YouTubes verschärfte Regeln

Ob Jugendschutz, staatliche Zensur oder Rechteindustrie: YouTube wird von vielen Seiten gedrängt, seine Inhalte zu kontrollieren. Der Konzern hat mehrere Antworten parat.

Das Internet ist ein Schwamm, der alles aufsaugt. Und singen kann. Bild: screenshot: youtube

Für eine eigentlich eher anarchistisch organisierte Videoseite ist das Google-Filmportal YouTube erstaunlich jugendfreundlich: Gewaltdarstellungen und pornografische Inhalte findet man kaum - und wenn ja, sind sie hinter einer "Ab 18"-Sperre platziert, die man erst umgehen kann, wenn man sich anmeldet.

Eher prüde soll es auch künftig zugehen. Neue YouTube-Regeln, die das Unternehmen im offiziellen Weblog in dieser Woche veröffentlicht hat, machen deutlich, dass "Inhalte mit sexuellen Andeutungen" nichts auf der regulären Plattform zu suchen haben und deshalb hinter dem "ab 18"-Schild verschwinden sollen. Auch "Teilnacktheit" ist dabei zu vermeiden, ebenso "echte Gewalt und sehr drastische fiktionale Gewalt".

Als sexuelle Andeutung versteht YouTube alles, was dazu geeignet ist, Zuseher zu erregen. Stehen nackte Brüste im Vordergrund, ist das ebenso auf der regulären Plattform nicht erlaubt. Zur Entdeckung solcher Inhalte bedient sich Google den Nutzern: Markieren die ein Video entsprechend, schaue sich ein YouTube-Team diese Streifen "24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche" an, um festzustellen, ob sie gegen die "Standards der Community" verstoßen.

YouTubes verschärfte Prüderie birgt die Gefahr, dass Zensurforderungen auch aus anderen Bereichen verstärkt aufkommen - etwa von staatlichen Stellen in bestimmten Regionen der Welt. So befindet sich das Google-Videoportal seit längerem in einem Kleinkrieg mit der türkischen Justiz, die es schon mehrmals wegen negativer Darstellungen des Staatsgründers Kemal Atatürk im kompletten Land sperren ließ; auch aktuell ist YouTube dort blockiert. Wenn Google nun der Seite "zu heiße Tatsachen" in Clips sperren kann, lautet die Logik, könnte das Portal doch auch anderweitig "problematische" Inhalte blockieren.

Bei Google beschäftigt sich ein ganzes Team im Justiziariat mit solchen Themen. Nancy Wong, stellvertretende Leiterin der Rechtsabteilung, muss diese Fälle laut einem Bericht der "New York Times" entscheiden - und wird abteilungsintern in Anlehnung an eine entsprechende humoristische Eigenbezeichnung des US-Präsidenten "The Decider" genannt. Es ist gut möglich, dass die Arbeitslast von "Decider" Wong und ihrem Team in den nächsten Jahren stark ansteigen wird.

Im Fall der Atatürk-Darstellungen sorgte Wong dafür, dass mit Hilfe so genannter Geotargeting-Technologien, bei denen die Herkunft eines Nutzers über dessen Internet-Adresse ermittelt wird, solche Filme explizit nur für türkische Zuseher gesperrt waren. Es zeigte sich allerdings, dass dieses Entgegenkommen nicht ausreichte: Ein türkischer Richter forderte wenig später, die Filme auch außerhalb des Landes zu blockieren, schließlich könnten sich auch im Ausland lebende Türken von den Clips attackiert fühlen.

Der Druck auf YouTube wächst auch von Seiten der Medienindustrie. Die kämpft schon seit mehreren Jahren gegen Raubkopien von TV-Sendungen oder Hollywood-Streifen auf der Clip-Plattform, die dort in 10-Minuten-Schnipseln zu finden sind. Ein großes Verfahren des Medienkonzerns Viacom (MTV, Comedy Central), in dem es um Milliarden Dollar an Schadenersatzforderungen geht, läuft noch. Auch hier wurde von Klägerseite bereits argumentiert, dass das Fehlen pornografischer Inhalte auf YouTube ein Zeichen dafür sei, dass Google sehr wohl vorab kontrollieren könne, was auf seiner Plattform konkret abläuft. Der Internet-Riese hatte stets argumentiert, man erhalte zu viele Inhalte, als dass man sie händisch überprüfen könnte - Tausende pro Minute und mehr seien das.

Eine technische Lösung, die urheberrechtlich geschütztes Material mit Hilfe so genannter digitaler Fingerabdrücke automatisch ausfiltert, die die Medienkonzerne vorab von ihren TV-Sendungen und Filmen bereitstellen müssten, wird bei Google als mögliche Alternative genannt. Fragt sich nur, wie viele Nutzer YouTube ohne die vielen TV-Inhalte in rechtlicher Grauzone noch hätte - vermutlich deutlich weniger als aktuell. Deshalb beginnt der Konzern auch damit, den Medienkonzernen vorzuschlagen, einfach die bei solchen Clips anfallenden Werbeumsätze mit ihnen zu teilen. Schon wurde angekündigt, dass die Nutzer auf YouTube bald mit mehr Reklame leben müssten. Bei der Abwehr staatlicher Zensoren hilft das allerdings wenig. Denen geht es nicht um Geld.

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