Ende der Temporären Kunsthalle: Der Wettbewerb ist eröffnet

Am 1. September schließt die Berliner Temporäre Kunsthalle ihre Pforten. Das Konzept aus Ausstellen und Vermitteln gilt als geglückt, jetzt ist die Konkurrenz gefordert.

Wolkenkuckucksheim auf dem Berliner Schlossplatz: Die Temporäre Kunsthalle. Bild: dpa

BERLIN taz | Am 1. September wird der Berliner Schlossplatz wieder eine Leerstelle aufweisen. Denn dann wird die Temporäre Kunsthalle an diesem Ort verschwunden sein, in einer Vergangenheit, die kurz und strahlend war. Das gilt insbesondere für ihr zweites Jahr, in dem die Unwägbarkeiten des ersten Jahres weitgehend in den Hintergrund rückten, um Platz zu machen für die eigentliche Arbeit. Was ist die Funktion einer Kunsthalle?

Arbeit am lebenden Objekt

Auf diese Frage gibt es zwei unterschiedliche Antworten, eine theoretische und eine praktische. Die praktische Variante hat den Vorteil, dass sie am "lebenden Objekt" nachvollzogen werden kann. Die andere bleibt theoretisch, kann dafür aber in Anlehnung an Aristophanes "Wolkenkuckucksheime" bauen. Wowereits Halle bleibt wohl bis auf Weiteres ein derartiges Wolkenkuckucksheim. Das mag politisch opportun sein, um etwaige Ansprüche auf Ort und Raum von Vornherein abweisen zu können. Aber mit der Temporären Kunsthalle ist - noch - ein konkretes Vorbild gegeben. War das erste Jahr tendenziell ein Vabanquespiel, weil die Kuratoren des Leitungsteams das Geld für ihre Projekte selbst einbringen mussten, stand für das zweite Jahr ein fixes Budget zur Verfügung, mit dem gearbeitet werden konnte. Man war also in der Wirklichkeit angekommen.

Allerdings, durch den konkreten Bau am konkreten Platz, hatte die Temporäre Kunsthalle den Test auf die Wirklichkeit gleich zu Anfang bestanden. Der Bau machte nicht den Anschein des Vorläufigen. Das war das Verdienst des Architekten Adolf Krischanetz, der nicht nur als Entwerfer und Planer agierte, sondern auch als Sponsor für Materialspenden, von den Türen bis zu den Bodenfliesen, sorgte. Der Bau war eben doch kein einfacher Container, sondern Improvisation auf höchster Ebene, die sich in dem aufwändigen Projekt von Allora & Calzadilla aufs Beste bewährte. Die Künstler hatten den White Cube zweigeteilt durch eine abgehängte Decke, auf der nicht sichtbare, aber ganz reale Tänzer ihre Schritte hörbar werden ließen. Das Café muss wie ein Café aussehen und nicht wie eine Imbissbude. Daran kann in diesem Zusammenhang durchaus zu Recht erinnert werden. Denn der Begriff Kunsthalle ist kein Synonym für Discounter.

Nicht nur das Sammeln, auch das reine Ausstellen von Kunst braucht ein ausgefeiltes Begleitprogramm, braucht etwa Führungen und Künstlergespräche. Eine wesentliche Forderung ist die Vermittlung, wie sie in der Gruppenausstellung mit dem Titel "squatting. erinnern, vergessen, besetzen", kuratiert von Tilo Schulz und Jörg van den Berg, beispielhaft geleistet wurde. Hier führten die Kuratoren selbst, und sie ließen auch mal Werke unkommentiert, wenn der Zeitrahmen überschritten wurde. Das Rezept sprach sich herum und zog jeden Montag 30 bis 40 Besucher in die Halle, eine Zuhörerschaft, die nicht mehr nur die üblichen Verdächtigen der Kunstklientel umfasste. Allerdings scheint die Führung infolge der von den Künstlern selbst kuratierten Ausstellungen eine Notwendigkeit zu sein. Selbst dem Autor fiel es schwer angesichts der Ausstellung "Scorpios Garden", die den Zyklus der künstlerkuratierten Gruppenausstellungen begann, den Überblick zu behalten.

Angela Rosenberg vom Kuratorischen Management der Kunsthalle spricht in Hinblick auf diese Ausstellungen von einem "Blick von innen auf die Kunstlandschaft Berlins".

Das interessiert auch eine, von der Strahlkraft der Berliner Kunst inzwischen affizierte, breite Masse. Der Kunstfreund kann sich dann wiederum in den Künstlergesprächen - konzentrierten Begegnungen mit dem Werk und dem Künstler oder der Künstlerin - zum Kenner der Materie aufschwingen. Wer in diesem Zusammenhang auf die Akademie der Künste verweist, übersieht, dass sich hier ein Generationenkonflikt abzeichnet. Die Schnittmengen zwischen der Akademie der Künste und der Temporären Kunsthalle sind minimal.

Mit ihren Angeboten antwortet die Kunsthalle auf ein immer stärker differenziertes Publikum. Wohin soll es sich nun wenden? Leider muss die Frage, ob sich die Anziehungskraft der Halle womöglich auch in ihrem dezidiert zeitweiligen Charakter verdankt, ungeklärt bleiben. Wenn dem so wäre, hätte Klaus Wowereit mit seiner wandernden Kunsthalle ja ins Schwarze getroffen. Angela Rosenberg ist der Überzeugung, dass es genügend Platz für vergleichbare Institutionen gibt. Doch Platz allein ist keine Antwort. Dafür steht die Erfahrung mit dem ersten desaströsen und dem zweiten gelungenen Jahr der Temporären Kunsthalle.

Fremd in der eigenen Stadt

Dazu kommt: Auch wenn es einmal so war, dass die Forderung nach einer Kunsthalle vor allem deswegen erhoben wurde, weil bekannte Berliner Künstler überall auf der Welt schon zu sehen waren, nur nicht in ihrer Heimatstadt, muss eine Nachfolgeinstitution die Konzentration auf Berlin allein schon wieder überwinden. Denn auch andere bedeutende, freilich berlinfremde Positionen zeitgenössischer Kunst haben den Weg noch nicht in die Hauptstadt gefunden, wie zum Beispiel André Cadere oder Christoph Williams. Die anderen "Kunsthallen" sind nun in die Pflicht zu nehmen, heißen sie Nationalgalerie, Berlinische Galerie oder Kunstwerke. Ende August wird die Berliner Kunstlandschaft einen Wettbewerber weniger haben. Zu hoffen ist, dass der Wettbewerb damit erst richtig beginnt.

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