Show von Krömer und Hein: Kai Kacke hat sich schnell auserzählt

Es hätte lustig werden können. Die Rechnung von Humorist Kurt Krömer und Schriftsteller Jakob Hein bei ihrem Stück "Johnny Chicago" in der Berliner Volksbühne ging aber nicht auf.

Volksbühnenkunst bedeutet, von der Rampe aus ins Publikum zu pinkeln: Kurt Krömer in "Johnny Chicago". Bild: dpa

Da habe ich noch mal Glück gehabt, dass sich Kurt Krömer und Jakob Hein für ihre Show in der Berliner Volksbühne keine Volksbühnenkunst vorgenommen haben. Denn das hätte für mich, in der zweiten Reihe platziert, unangenehm werden können. Weil Krömer und Hein unter Volksbühnenkunst verstehen, von der Rampe aus ins Publikum zu pinkeln und einen Kritiker mit seinem Spiralblock zu erschlagen.

Nee, vor allem Krömer will so was von Kunst überhaupt nicht und mault seinen Autor Hein deshalb vorwurfsvoll an, ihn in die Regietheaterhochburg Volksbühne verschleppt zu haben, obwohl er, Krömer, doch viel lieber Türentheater wie in den Boulevard-Bühnen am Kurfürstendamm spielen würde. Weil die beiden bei diesem Streit auf zwei Klobrillen am Bühnenrand sitzen und zwischen ihnen die Klotüren auf- und zuklappen, als seien sie von den Dezibel ihrer Stimmen angestoßen, ist die Szene beides zugleich: Karikatur des Kampfbegriffs Ekeltheater und des auf Lustigkeit getrimmten Boulevards. Das ist zweifellos ein kleiner Höhepunkt des Abends.

In obiger Szene spielen Krömer und Hein Krömer und Hein: der eine ein populärer Fernsehstar, der Theater eigentlich gar nicht nötig hat, der andere ein populärer Lesebühnenautor, der endlich mal was fürs Theater machen will. Das Theater ist für beide ein ambivalenter Sehnsuchtsort: Gemessen an der eigenen Popularität eigentlich kein ernsthafter Konkurrent, dem aber doch noch etwas von einem Kindertraum anhaftet.

Die meiste Zeit aber spielt Krömer Johnny Chicago, einen Sänger, den keiner singen hören will, und Hein den Talkmaster Kai Kacke, der von seinem Gast nur genervt ist. Es gibt die sogenannten Einspielfilmchen, live auf der Bühne gespielt, zu Episoden aus Johnny Chicagos Leben, der behauptet, 8.000 Jahre alt zu sein. Jesus und Hitler treten auf. Schon ein Höhlenmensch gewesen zu sein, ist Chicagos Markenzeichen, aber darüber zu reden, hat er nie Lust. Und es gibt die sogenannten Werbepausen, in denen der Moderator, sein Gast und die Assistentin sich über die Dramaturgie der Show ständig in die Haare kriegen.

Ist das hier komisch, nein, ist das hier wenigstens medienkritisch, auch nicht, brüllt Inka Löwendorf, die als Assistentin Bettina von Bobbicar stets mit dem Abziehbild einer Assistentin hadert, kurz vor Schluss. Sie ist dabei ziemlich großartig in ihrer Verzweiflung über zu viel schlechtes Theater. Stimmt man ihr zu? Nimmt das Stück seine eigene Kritik vorweg? Na ja, Komik und Medienkritik lagen sicher mal am Anfang in dem Warenkörbchen, das sich die Volksbühne mit dem Einkauf von Krömer und Hein versprochen hat; aber weil sie vielleicht beide nicht so vorhersehbar sein wollten, bosseln sie da dran etwas lustlos herum.

Vor allem ist ihre Geschichte viel zu dünn. Sie verheddern sich in ihren selbst produzierten Klischees: Kurt Krömer ist in der einfachen Kunstfigur Kurt Krömer überzeugender als in dem Versuch, sich mit der doppelten Kunstfigur Johnny Chicago über Stars à la Krömer und deren Vermarktung lustig zu machen. So sieht "Johnny Chicago" ziemlich schnell nach einer über zwei Stunden gestreckten Krömer-Reste-Rampe aus.

Auch Jakob Hein ist es nicht gelungen, eine eigene Farbe beizutragen. Er steht ja nicht nur mit auf der Bühne, sondern zeichnet auch als Autor des Stücks. Seine Bücher, wie "Mein rotes T-Shirt" mit Geschichten über eine Kindheit in der DDR, oder "Gebrauchsanweisung für Berlin" leben vom losen Andocken der Geschichten am stets präsenten erzählenden Ich. Diese Rückkoppelung funktioniert hier nicht, sein Talkshowmaster Kai Kacke ist bloß schlicht erfunden. Fürs Wohnzimmertheater lustig genug, für die große Bühne aber, wo sich die Figur schon beim ersten Auftritt auserzählt, entschieden zu wenig.

Fragt sich nur, warum man sich anderes eigentlich erwartet hat: weil man für die Institution Volksbühne hoffte, hier noch mal an den Wurzeln des anarchischen Nonsens kratzen zu können, die das Castorf-Theater zu seinen besten Zeiten auszeichnete? Weil Krömers Witz eine Herausforderung für das Theater bildet? Weil die Interviews mit den beiden vorher so lustig zu lesen waren? Ja, vermutlich deswegen. Aber aufgegangen ist diese Rechnung nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.