Fashionweek an der Spree: Luxus für alle

Am Mittwoch beginnt die sechste Berliner Fashionweek. Vier Tage lang werden lokale Vorzeigelabels ihre neuesten Kreationen zeigen.

Caspar Böhme ist Mitbegründer des Modelabels Mohammed Mayer. Bild: sonja trabandt

BERLIN taz | Vier Jahre Fashionweek haben an der Spree Spuren hinterlassen. Berlins Reputation als Modestadt pendelt mittlerweile zwischen Geheimtipp, Hype und internationaler Bedeutungslosigkeit – stets umweht vom Ruf des Experimentellen, das in unsanierten Hinterhöfen gedeihen soll. Dabei sind viele dieser Hinterhöfe inzwischen längst renoviert. Und aus den spontanen Kollektiven sind nicht selten absolut professionelle Unternehmen geworden.

"Die Zeiten der Experimente sind vorbei", sagt Maia Guarnaccia, Vizepräsident des Fashionweek-Veranstalters IMG Europe. "Die jungen Berliner Designer sind noch immer außergewöhnlich kreativ und mutig im internationalen Vergleich, orientieren sich aber inzwischen auch stärker am Markt."Auf viele Designer, die sich von Mittwoch bis Samstag am Bebelplatz präsentieren, mag das zutreffen. Im Kielwasser der bisherigen fünf Modewochen haben sich viele junge Labels professionalisiert. Fast zwangsläufig mussten sie beginnen, sich stärker auf die Bedürfnisse der bei den Modewochen versammelten Einkäufer einzustellen.

Ganz verschwunden ist sie jedoch nicht, die textile Verwegenheit, der kommerziell erfolgreiche Labels aus Berlin bis heute ihren Ruf verdanken. Jenseits des weißen Fashion-Festzelts am Bebelplatz steht eine neue Generation von Modemachern in den Startlöchern. Sie suchen das Risiko. Unter ihnen ist Mohammed Mayer. Hinter dem Namen verbirgt sich keineswegs ein deutsch-arabischer Karl Lagerfeld, sondern das Junglabel der beiden blonden Mittzwanziger Caspar Böhme und Fabian Carlos Guhl. Die gebürtigen Berliner sind aus dem Ausland zurückgekehrt, um hier etwas Eigenes aufzubauen.

"Kommerziell hätten wir es in London sicher leichter. Aber hier hat man immer noch die Möglichkeit, mit wenig Geld etwas Unangepasstes und Neues zu machen", kommentiert Böhme die Standortwahl. Beide haben sich lange genug in anderen Städten umgeschaut. Guhl studierte in verschiedenen Ländern, war bei der African Development Bank in Tunis, bei den Vereinten Nationen in New York und sammelte Erfahrung in Werbe- und PR-Agenturen. Böhme selbst kennt das Modegeschäft seit über zehn Jahren. Er arbeitete lange als Model, studierte später Modedesign in London.

Mit Geschäft und Branche sind sie also bestens vertraut. Und genau deswegen wollen sie einiges anders machen - angefangen bei der Produktion: Ihre erste Schuh-Linie lassen sie weder in China noch in der Türkei produzieren. Fertigungsstandort ist die Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel. "Wir sind seit anderthalb Jahren an der Sache dran und haben lange mit den Behörden verhandelt", sagt Böhme und schmunzelt: "Ich habe in den letzten Monaten viel Zeit im Knast verbracht." Nicht umsonst: Neun Prototypen wurden bereits dort entwickelt. Nun kann bald die Produktion losgehen. "Demnächst dürften einige Häftlinge mit Designerschuhen rumlaufen, jeder darf sich ein Paar aussuchen." Denn voraussichtlich wird der Schuh von Mohammed Mayer auch der neue Freizeitschuh im Tegeler Gefängnis.

Dabei geht es laut Böhme jedoch nicht einfach um eine clevere Marketing-Strategie, wie es andere Modelabels mit ähnlichen Fertigungsstätten bereits versucht haben. "Wir wollen die Leute zum Denken anregen: Wo wird eigentlich Kleidung produziert und unter welchen Umständen? Was sind das für Menschen, die sie anfertigen? Finde ich es gut oder schlecht, dass es im Gefängnis produziert wird?" Dahinter steckt ein Grundkonzept: "Wir versuchen tragbare Objekte zu schaffen, die Debatten anstoßen. Jedes unserer Produkte hat ein narratives Konzept, eine bestimmte Geschichte oder Idee", erklärt Böhme. "Am Anfang des Entstehungsprozesses unserer Produkte steht immer eine Auseinandersetzung in Bezug auf Mode, aber eben auch auf Gesellschaft, Design, technische Innovation oder Politik. Daraus entwickeln wir dann einen eigenen Standpunkt und setzen diesen in einem Produkt um", beschreibt Böhme den Entstehungsprozess der Kleidungsstücke. "Damit bekommen unsere Kleidungsstücke eine starke Identität, statt Wegwerfprodukte in einer indifferenten Konsumlandschaft zu sein." Die Kollektion des Labels ist bisher klein angelegt. Sie reicht von Schuhen bis Jacken und ist unisex geplant: "Es sollen möglichst beide Geschlechter alles tragen können", so Böhme.

Anders als das Modelabel Häftling, das ebenfalls im Gefängnis produziert, will sich Mohammed Mayer aber nicht auf Mode aus dem Knast reduzieren lassen. "Der Rest der Kollektion wird andernorts in Berlin und Europa produziert - jeweils mit eigenen Ideen und Konzepten. Da sind noch einige ungewöhnliche Projekte in der Pipeline." Böhme und Guhl arbeiten an Wiederverwertungskonzepten, suchen nach gesellschaftlichen und gestalterischen Mustern der Gegenwart und arbeiten an Antworten auf die Globalisierung. Mohammed Mayer soll dabei eine Art Gegenthese zur etablierten Modeindustrie sein. "Uns geht es um die Demokratisierung von Luxus, um Dekonstruktion und Polarisierung", sagt Böhme. "Dabei ist uns sehr wichtig, dass unsere Mode tragbar und erschwinglich ist", sagt Böhme. Für eine kleine gesellschaftliche Elite teure Designer-Kleidung zu entwerfen, ist für die beiden uninteressant: "Wir wollen möglichst viele mit unseren Ideen erreichen. Wir wollen auf die Straße, nicht auf die Yacht."

Die Berliner Fashionweek ist für das Junglabel als Plattform damit uninteressant: "Wir suchen eher andere Konzepte der Präsentation, die sich vom Format Catwalk lösen - also eher Guerilla-Aktionen", sagt Böhme. Gut für die Stadt sei die Modewoche trotzdem, denn darüber wachse ein breiteres Interesse an Mode. "Es braucht hier zweifellos beides - das Kommerzielle und das Experimentelle", meint auch Tanja Mühlhans, Referentin für Creative Industries beim Berliner Senat. Die Freiräume für junge Avantgardisten wie Mohammed Mayer sieht sie dadurch nicht bedroht. "In Berlin ist der Vermarktungsdruck im Vergleich immer noch deutlich geringer als anderswo", betont Mühlhans.

Den Beweis dafür liefert eine Parallel-Veranstaltung zur Fashionweek: Beim Künstlerkollektiv HBC am Alexanderplatz wird die Mode versammelt sein, die nicht ins weiße Zelt am Bebelplatz passen will. Bei der "HBC Couture" präsentieren am Donnerstag neun junge Berliner Designer Schnitte, die unkonventionell, laut und ungewohnt sind. Hier zeigt sich: Berlin ist trotz fortschreitender Professionalisierung der lokalen Modeszene immer noch Brutkasten für modische Experimente.

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