ARD-Doku zum Durchschnittdeutschen: 75 Minuten Fernsehen

Wie viele Ihrer 36 Tonnen Müll haben Sie schon fabriziert? Ein Dokumentarfilm über den Durchschnittsdeutschen.

Wenn wir 79,36 Jahre alt geworden sind, werden wir 105.372 Träume gehabt haben. Bild: WDR/National Geographic Television International

Die überlebenswichtigen Fragen der Menschheit: Wie viel Milch trinke ich im Laufe meines Lebens? Wie viel Kilo Brot esse ich? Wie viel Müll fabriziere ich?

Dass die Deutschen sich diese Fragen stellen würden, behauptet jedenfalls ein Dokumentarfilm der ARD. "So viel lebst du" will das Leben eines Durchschnittsdeutschen zeigen - mit bebilderten Zahlen.

Mit Hilfe von Ernährungsstudien und Tabellen des Statistischen Bundesamtes häuften die Redakteure Matthias Kremin (WDR) und Christoph Mestmacher (NDR) Zahlenberge über das Leben der Deutschen an: 6.921 Liter Milch stehen in Flaschen vor einem Haus, 5.192 Brote liegen in einem Feld, 35.800 Kilo Müll kippt ein Müllwagen in eine Grube - das ist so viel, wie die Deutschen im Durchschnitt verbrauchen. Animiert und vom Computer nachbearbeitet sind die Brote und Milchflaschen nicht - "alles echt", wie Produzent Leopold Hoesch sagt.

Die Dramaturgie im Film ist an zwei Kleinkindern aufgehängt. Sie laufen auf Waldwegen, spielen mit Sandburgen und blättern in riesigen Büchern - ein Sprecher erklärt, wie viele Schritte wir in unserem Durchschnittsleben laufen, wie oft wir Urlaub machen und wie viele Wörter wir im deutschen Durchschnitt sprechen.

Doch die beiden Kinder sind gar keine Deutschen, sondern Briten. "Etwa die Hälfte des Filmmaterials ist von dem britischen Filmvorbild übernommen", sagt Regisseur Michael Dörfler. "The Human Footprint" heißt der Dokumentarfilm, der die Idee für die deutsche Version lieferte. Die andere Hälfte sei nachgedreht worden - und zwar in Bereichen, die speziell deutsche Gewohnheiten beträfen, sagt Hoesch. "Während Engländer im Laufe ihres Lebens etwa eine Badewanne voll dicke Bohnen essen, essen die Deutschen gerade mal eine Dose." Deshalb fielen die dicken Bohnen weg, Brot und Bier kamen hinzu, und Kaffee ersetzt den Tee aus dem Original. Die durchschnittlich etwa 77.000 Tassen Kaffee, die in einem deutschen Leben hinuntergespült werden, reihte die ARD am Montag öffentlichkeitswirksam vor dem Brandenburger Tor auf. Mit der Menge sei der Kaffee das "heimliche Nationalgetränk der Deutschen", so Hoesch, "und nicht das Bier".

Neben allen Zahlen und netten Fakten über die Ess- und Sprechgewohnheiten der Deutschen greift der Film am Rande auch ernsthaftere Themen auf. Ulrich Wickert zum Beispiel fordert in seinem Interview alle Deutschen auf, wählen zu gehen - und der Sprecher erklärt, dass die Energiekosten für die Herstellung der 3.796 Einwegwindeln eines jeden deutschen Kindes etwa dem Energieverbrauch eines Bewohners Tansanias in seinem Leben entsprechen.

Doch warum läuft der Film am Tag der Deutschen Einheit? Produzent Hoesch sagt: "Wir wollten dem Deutschen auf die Spur kommen." Weshalb sich die Frage aufdrängt, wie aussagekräftig Zahlen sind. Ein Durchschnittswert ist schließlich ein Mittelwert, der der Wirklichkeit sehr fern sein kann. Porträts von einigen Deutschen wären sicher repräsentativer gewesen als Zahlen - und ein Bild von gefüllten Kondomen, die an einem Baum hängen. ANJA HÜBNER

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