Konkurrenzdruck im Agenturgeschäft: Das Spiel mit dem Feuer

Ausgerechnet die Nachrichtenagentur des kleinen Österreichs APA hat sich zum Vorreiter entwickelt - doch so leicht ist es nicht. Auch in Deutschland ist der Agentur-Markt hart umkämpft.

Blauer Himmel und gute Aussichten für Österreichs Nachrichtenagentur APA. Bild: Pressefoto APA

Michael Lang ist mit sich und seiner kleinen Welt zufrieden. Der Chefredakteur der APA, der Austria Presse Agentur, begegnet dem Besuch mit bester Laune. Wie könnte es auch anders sein: Die APA ist Monopolist, die einzige umfassende Nachrichtenagentur Österreichs. Wer seine Zuschauer, Hörer oder Leser als österreichisches Medium über das Geschehen in dem kompakten Land und auf dem Rest des Globus verlässlich informieren will, kommt an den fast 600 täglichen Meldungen der Redakteure im Prinzip nicht vorbei.

"Ich bin um unsere Ausgangslage nicht böse", sagt Lang, dessen Euphorie nur ein Umstand dämpft: Die Kronen-Zeitung kommt bereits seit Mitte der fünfziger Jahre ohne APA-Texte aus. Zu dem Blatt, das der deutschen Bild nahe kommt, greifen immerhin jeden Tag knapp drei Millionen Österreicher. Die Krone setzt Themen. Ihre APA-Abstinenz ist aber ein Dauerzustand - und damit schon lange keine ernst zu nehmende Gefahr für den News-Lieferanten mehr, sondern eher ein Schönheitsfehler.

Zu einem Problem könnte sich für die APA indes entwickeln, was im Nachbarland passiert. Dort kann von einem Agentur-Monopol jedenfalls schon lange keine Rede mehr sein. Zwar teilt die Deutsche Presse-Agentur (dpa) mit dem österreichischen Dienst, dass auch sie einst von den Verlagen als gemeinsamer Dienstleister gegründet wurde. Von Anfang an aber tummelten sich auch Ableger anderer Agenturen auf dem deutschen Markt, der freilich viel größer und lukrativer ist, als der des Nachbarlandes.

Erst ging in Frankfurt am Main ein eigenes Angebot der US-Agentur Associated Press (AP) an den Start, später auch ein deutscher Dienst der Agence France-Presse (AFP). Hinzu kamen Angebote von Reuters, von katholischer und evangelischer Kirche, diverse Spartendienste für Wirtschaft und Sport und der auf Berichte aus dem Inland spezialisierte Deutsche Depeschendienst (ddp). Kein anderes Land ist mit dieser Vielfalt an Nachrichtenagenturen gesegnet.

Das war für die Verlegeragentur dpa bisher kein existenzielles Problem, denn ihre Gesellschafter hielten ihr weitgehend die Treue und die Konkurrenten traten einhellig nur als Komplementärdienste zum Basisangebot der dpa auf, wollten dpa also lediglich ergänzen und nicht ersetzen. Vor nicht einmal einem halben Jahr aber hat sich die Situation verschärft, der deutsche Agenturmarkt sich neu geordnet: Anfang Dezember gaben die ddp-Eigner Martin Vorderwülbecke und Peter Löw die Parole aus, sie würden die dpa "verzichtbar" machen. Dafür kauften sie sogar den bislang eigenständigen hiesigen Dienst der Associated Press auf, eine Lizenz für das Weltmaterial des 3.000 Reporter starken Newsgiganten inklusive.

Was das mit der APA zu tun hat? Eine ganze Menge. Die APA arbeitet nämlich bis heute äußerst eng mit der dpa zusammen. Sie tauschen Meldungen aus, betreiben gemeinsam die Finanzagentur dpa-AFX sowie Dienstleistungen, etwa für den Vertrieb von Pressemitteilungen, dessen Einnahmen die Kernaufgabe stützen. Langs Chef, APA-Geschäftsführer Peter Kropsch, bezeichnet die dpa deshalb als "langjährigen Vertrauten". Viel wichtiger aber ist diese Entwicklung: Weil die Medienlandschaft in Österreich übersichtlich ist, baute die APA ihre Nebengeschäfte aus, um mehr zu verdienen.

Die Tochter APA-IT wuchs gar zu einer europäischen Größe heran. Sie entwickelt Redaktionssysteme, mit denen Agenturen Nachrichten erfassen, ordnen und an Verlage, TV-Stationen, Radiosender und Onlineportale verteilen. Die APA-IT betreibt aber auch Archive, natürlich für fast alle österreichischen Blätter, aber lange Zeit auch für die dpa und noch immer für die Süddeutsche Zeitung. Die AFP lässt ihre mehr als 1.500 Reporter in aller Welt gerade von einem ausgeklügelten APA-Kalender vernetzen, der helfen soll, die Journalisten effizienter einzusetzen. Hinzu kommt, dass viele Webseiten auf APA-Rechnern laufen. Zu Spitzenzeiten greift einer von drei österreichischen Internetnutzer auf die Server der Agentur zu.

Auf diese Erfolgsgeschichte der Österreicher sind viele andere Agenturen neidisch. Ob dpa, AP oder AFP: Sie alle haben viel zu spät die Chancen erkannt, die technische Dienstleistungen bieten. Jetzt, wo sich der deutsche Markt ändert, zeigt sich aber auch, dass dieser Wachstumskurs an Grenzen stoßen könnte. Die APA spielt derzeit nämlich mit dem Feuer: Sie will mit beiden Seiten der neuen Agenturfront zusammenarbeiten, sowohl mit dem Marktführer dpa als auch mit ihrem Rivalen ddp.

Während die APA weiter mit der dpa kooperiert als sei nichts gewesen, bestellt sie dem dpa-Gegner im Hintergrund das Feld: Sie liefert ihm das eigene moderne Redaktionssystem zu, das die eingerostete ddp-Software ersetzen soll. Der ddp wird also technisch aufgerüstet und dürfte früher als die dpa in der Lage sein, multimediale Pakete rasch und mit wenig Aufwand anzubieten. Dazu passt, dass der ddp gerade eine Firma übernommen hat, die darauf spezialisiert ist, Informationen auf mobile Geräte wie das iPhone zu bringen.

Noch schlimmer dürfte aber für die dpa diese Entwicklung sein: Die APA wird künftig zusätzlich die Verteilung des ddp-Materials über das Internet übernehmen. Was sich nach einer Banalität anhört, könnte der dpa ans Portemonnaie gehen. Bisher erreichen die Meldungen und Fotos von Agenturen die Zeitungen und Sender über Satelliten, auch weil die Versorgung über das Netz als unzuverlässig galt. Wer aber deutsche Medien via Satellit versorgen will, muss auf den Plattformbetreiber Mecom zurückgreifen - und der gehört zu großen Teilen der dpa. Der ddp ist bloß zahlender Kunde. Die neuen Eigentümer, denen der ddp jetzt seit gut einem Jahr gehört, wollen indes unnötige Kosten sparen und vor allem nicht zu den Gewinnabführungen der Mecom an ihren Kontrahenten beitragen.

Auch dabei will die APA helfen, die von vielen Agenturmachern förmlich angehimmelt wird. Die Welt von Chefredakteur Michael Lang ist nämlich am Reißbrett entstanden: Während sich alle deutschen Agenturen an gesetzte Immobilien anpassen mussten, konnte Lang seinen Redaktionsraum aus dem Nichts hochziehen. Vor fünf Jahren zog seine Redaktion auf das Gelände einer früheren Lackiererei, keine zwei Minuten vom Naschmarkt entfernt. Entstanden ist ein Neubau, lichtdurchflutet und mit einer kreisförmigen Anordnung der Redaktionen um eine Art Nachrichtenkoordinator. Kurze Wege, Blickkontakt für alle. Konkurrenten schwärmen von einem "Glaspalast", der einem Lehrbuch gleiche.

Lang erzählt stolz, auch die dpa sei dieses Jahr zu Besuch gekommen. Die will ihre drei in Deutschland verteilten Redaktionen in der Hauptstadt zusammenziehen, um im Ringen mit der ddp zu punkten. Sie habe sich für ihren neuen, fast 5.000 Quadratmeter großen Newsroom in Berlin viel abgeschaut, sagt Lang. Das stimmt zwar, doch wirklich gewogen werden sie der APA nicht mehr sein. Spricht man deren Chefredakteur auf den Agenturmarkt an, sagt er: "Ich würde mit meinen deutschen Kollegen nicht tausche wollen." APA- Geschäftsführer Kropsch betont eiligst: "Der ddp ist ein Kunde von uns, die dpa aber ein Partner." Und dass sie nun mit beiden Seiten im Geschäft sind? "Ja, damit haben wir sicher keine Grundlage für eine grenzenlose Begeisterung gelegt."

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