Programmreform der ARD: Das Talk-Karussell dreht sich

Plasberg, Will, Maischberger, Beckmann - wer kriegt was im Ersten? Bis Dienstag wollen die Sender-Chefs das wohl festklopfen. Harald Schmidt sendet lieber wieder auf Sat.1.

Harald Schmidt hat gut lachen. Mit dem Gerangel um die besten ARD-Sendeplätze hat er nichts mehr zu tun. Bild: dpa

Noch bevor die ARD ihre Programmreform im Ersten auch nur andiskutiert hat, hat sie zumindest schon mal ein Ergebnis – das ihr allerdings nur bedingt schmecken wird. Harald Schmidt geht wieder zu Sat.1 – weil er im Ersten zum Kollateralschaden der anstehenden Veränderungen zu werden drohte. Denn weil im Ersten ab Sommer 2011 die „Tagesthemen“ unter der Woche wieder einheitlich um 22.45 Uhr zelebriert werden und sich dann von montags bis donnerstags noch eine Polittalk-Leiste anschließen sollte, wäre Schmidt vollends zum Sandmann geworden, der zu mitternächtlicher Stunde durchs Programm geistert.

Die „Harald Schmidt Show“ läuft ab September 2011 also auf Sat.1 wieder zweimal pro Woche zur „alten“ Sendezeit um 23.15 Uhr. „Ablösefrei zum Champions-League-Sender – ein Traum! Jetzt will ich auch Kapitän werden“, blödelt der Neuzugang, der schon 1995 bis 2003 auf Sat.1 talkte und zur intellektuellen Kultfigur des Senders wurde.

„Wir kehren mit der ‚Harald-Schmidt-Show' zur Sat.1-Familie zurück, worüber ich mich ganz besonders freue. Das Format ist bekannt und das gegenseitige Vertrauen ist groß“, lobhudelt auch Harald Schmidt Freund und langjähriger Produzent Fred Kogel: „Das Konzept wird die klassische 'Harald-Schmidt-Show“ der früheren SAT.1-Zeit sein, bei der der tagesaktuelle Stand up, die Studioaktionen, die Gäste und die Late-Night-Band das Format definieren“.

Hmm. War's in der ARD so viel anders? Und dort schlug sich Schmidt, nachdem er 2005 unter wahnsinnigen Vorschusslorbeeren der ARD-Granden heim ins öffentlich-rechtliche Imperium geholt wurde, nun ja – leidlich.

Doch auch die Rückkehr ins private Fernsehen muss kein Selbstläufer sein – wie Schmidts Freund Johannes B. Kerner beweist, der seit seinem Wechsel vom ZDF zurück zu Sat.1 extrem schwächelt.

Hat sich am Ende die ARD also eines Problems entledigt? Dabei heißt das offizielle Hauptdilemma der ARD-Programmoperation gar nicht Harald Schmidt, sondern Anne Will. Und ein bisschen noch Frank Plasberg. Bis zum Dienstag wollen die ARD-Intendanten nach Lösungen suchen, zu „50 Prozent“ sei eine in Sicht, heißt es intern. Denn man muss Anne Will etwas anbieten – schließlich wird sie durch den ARD-Heimkehrer Günther Jauch ab 2011 vom Sonntag-Sendeplatz vertrieben, und soll nun unter der Woche mit einem Talk versorgt werden.

Da Montag schon Reinhold Beckmann, Dienstag Sandra Maischberger und am Mittwoch eben Plasberg talken, liefe es eigentlich automatisch auf den noch Polit-Talk-freien Donnerstag hinaus. Doch das wäre eine Kampfansage ans ZDF – schließlich steigt dort alldonnerstäglich schon Maybritt Illner mit der Politik in die Bütt. Daher wird intern nun gezockt: Anne Will könnte ja auch auf den Dienstag wandern und die eher mit gesellschaftlich-weicheren Themen befasste Sandra Maischberger auf den Donnerstag schieben. Anne Will, so heißt es in der ARD, sei jedenfalls offen für derlei Gespräche. Und rangiert in der talk-internen Hackordnung über Maischberger.

Löst bloß das Problem Plasberg immer noch nicht. "Ich gehe fest davon aus, dass mittlerweile allen klar ist: Man kann um 22.45 Uhr eine Talkshow machen - aber nicht 'Hart aber fair'"", hatte der im taz-Interview gesagt. Und seine Anstalt, der WDR, sieht das genauso. Worauf jetzt der Kampfplatz Montag ins Visier kommt - der Freitag ist durch den gefälligen Diskurs der Dritten Programme ("3 nach 9", "NDR-Talkshow", "Riverboat", "Kölner Treff" usw.) blockiert.

Der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust will einen Wechsel von "Hart aber fair" auf den Montag zumindest "nicht ausschließen". Der Montag gilt wegen der schwachen Quoten und seines Profils - derzeit läuft hier der aus Österreich importierte "Winzerkönig" - ohnehin als Baustelle. "Dieses nicht vergnügungssteuerpflichtige Päckchen" müsste Plasberg dann als Preis für einen Prime-Time-Slot wohl tragen, heißt es bei ARD-Insidern süffisant, "man würde das nicht unbedingt als Beförderung verstehen können".

Ob es aber zur Einigung der ARD-Granden kommt? Nach Presseberichten soll nämlich ein gewisser Günther Jauch nicht eben entzückt sein, falls Plasberg gleich am nächsten Abend zum Nachschuss käme.

Und dann ist da ja noch Reinhold Beckmann, der immer öfter ebenfalls gerne mal den seichteren Themen entsagt und schwer einen auf politisch macht - für ihn wäre dann in der internen ARD-Arithmetik der Mittwoch nach den "Tagesthemen" ab 22.45 Uhr frei.

Wie auch immer der ARD-Verschiebebahnhof aufgeht: Harald Schmidt hatte man wohl ohnehin schon abgeschrieben. „Mit Harald Schmidt ist immer zu rechnen“, wich der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust schon vergangene Woche gekonnt aus. Um auf hartnäckige Nachfragen noch ein aus heutiger Sicht vielsagendes Schmidt „mache das ja immer auch ein bisschen nach dem Lustprinzip“ nachzuschieben.

Berichtigung 14.9.:

In diesem Text zitierten wir ursprünglich eine Einschaltquote "von vergangener Woche". Das war natürlich Quatsch, wie unsere Leser richtig anmerkten (Dank dafür!). Die erste Sendung nach der Sommerpause kommt erst am Donnerstag.

Der Ursprung des Fehlers: die schlechte Quote (knapp 1,4 Millionen Zuschauer, 9,1 Prozent Marktanteil), die wir recherchiert hatten, stammte vom September 2009 (!). Was immerhin beweist: Das Problem, das Harald Schmidt mit und in der ARD, ist schon etwas älter.

Dennoch ein dummer Fehler: Wir bitten vielmals um Entschuldigung.

Die Red.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.