NRW-Regionalteile: Der 3. Schlussstrich

Die letzte überregionale Tageszeitung zieht sich aus NRW zurück: Heute erscheint der letzte NRW-Teil von "Welt kompakt". Was sind die Gründe?

"Welt Kompakt"-Leserin Bild: dpa

Die Geschichte, die Welt kompakt NRW am Donnerstag im Blatt hatte, hat es in sich: Ein gewisser Reinhard T. Kneitling schrieb in der in Stuttgart erscheinenden BW-Woche geharnischte Artikel über den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU). Tenor: Der sei "schlecht beraten, schlecht informiert, schlecht vernetzt." Pikant daran ist, dass die BW-Woche ein Staatsanzeiger ist und Baden-Württemberg gehört. Hinter dem Pseudonym Reinhard T. Kneitling verbirgt sich, wie die Welt kompakt NRW gestern schrieb, Claudius Rosenthal, Redenschreiber bei Oettingers Parteifreund, NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers.

Solche Enthüllungen haben es nun schwerer, ins Blatt zu kommen: Heute erscheint letztmals der NRW-Teil der Welt kompakt. Damit zieht sich nach der Süddeutschen Zeitung und der taz die letzte überregionale Tageszeitung vom Versuch zurück, in NRW einen Regionalteil zu etablieren. Beim Verlag Springer hieß es zum Aus der täglich drei bis vier NRW-Seiten, man wolle "redaktionelle Kompetenzen bündeln". Entlassungen gebe es nicht, da der Teil mit freien und befristet beschäftigten Mitarbeitern und in Kooperation mit der Welt am Sonntag-Redaktion erstellt worden sei, die weiter mit einem NRW-Teil erscheint.

Welt kompakt sei ein junges Modell, sagte ein Sprecher der taz, und erscheine in mittlerweile 41 Städten. Auch in NRW werde nun die überregionale Ausgabe verkauft. Die Regionalseiten in Berlin, Hamburg, München und im Rhein-Main-Neckar-Gebiet sollen aber weiter erscheinen.

Wie im Fall der Süddeutschen dürften auch die fehlenden Anzeigenerlöse dem Projekt den Garaus gemacht haben. "Es gibt im Segment regionaler Anzeigen keinen Markt", sagt Hans-Jörg Heims, ehemals Redaktionsleiter des SZ-NRW-Teils, der nach nur 14 Monaten im März 2003 wieder eingestellt wurde. Es gebe überregionale Anzeigen und einen Anzeigenmarkt für Düsseldorf, Essen oder Oberhausen, so Heims - aber "dazwischen: nichts"; ebenso wenig wie in Bayern oder Hessen. Sein nüchternes Fazit: "Eine Landeszeitung rechnet sich nicht. Und am Ende muss es sich rechnen."

Die achtseitige NRW-Ausgabe der SZ hatte auch damit zu kämpfen, dass sie auf dem Höhepunkt der Anzeigenflaute vor fünf Jahren erschien. Das Münchner SZ-Mutterhaus war wegen zu hoher Gewinnentnahmen seiner Gesellschafter in Schlingern geraten und musste neue Teilhaber aufnehmen. Und wie bei taz und Welt kompakt fragt sich, ob man mit wenigen zusätzlichen Seiten für das bevölkerungsreichste Bundesland wirklich gegen die gewachsene Struktur der vielfältigen Regional- und Lokalzeitungen punkten konnte. Dass sich angestammte NRW-Lokaltitel - allen voran WAZ (Essen) und Westfälische Rundschau (Dortmund) - nach Jahren des redaktionellen Siechtums eine Qualitätsoffensive verordnet haben, tut ein Übriges.

Ein weiterer Grund fürs Scheitern von SZ, Welt kompakt und taz dürfte darin liegen, dass sie von den LeserInnen in NRW in erster Linie weiter als Überregionale - und damit als "Zweitzeitung" - wahrgenommen wurden, die man zusätzlich zum angestammten Lokalblatt liest. Ein Regionalteil ist zu groß, um lokale Serviceinteressen zu befriedigen. Und das ist kein NRW-Phänomen: Auch in Bayern haben es Welt und FAZ schon einmal versucht - und sind gescheitert.

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