Springers 68er-Tribunal: Die Beleidigten

Der Springer-Verlag scheitert mit seinem 68er-Tribunal - denn keiner wollte hingehen.

Da treffen zwar zwei Straßen aufeinander, doch an der Kreuzung kommt trotzdem nicht die richtige Stimmung auf. Bild: dpa

Mit Springer-Tribunalen ist es so eine Sache: Das echte, im Februar 1968 vor dem Republikanischen Club begonnene, wurde kurz nach Beginn vertagt und nie fortgesetzt. Und auch die Neuauflage, mehr als 41 Jahre später, findet nicht statt. Am Samstag sagte der Axel Springer Verlag die von ihm initiierte Veranstaltung ab. Protagonisten von einst - darunter auch taz-Redakteur Christian Semler - wollten sich von einer Show, die mehr der Dialektik des Marketings als der Dialektik der Aufklärung verpflichtet schien, verständlicherweise nicht vereinnahmen lassen.

"Die Zeit heilt Wunden. Und sie macht schlauer", schreibt Welt-Chefredakteur Thomas Schmid nun betrübt im Editorial seines Blattes, warum man denn das Tribunal eigentlich hat haben wollen. Beiden Sätzen mag man allerdings nicht so ganz trauen: Wer sich wie Springer bis heute zu Unrecht von der Studentenbewegung verfolgt fühlt, kann eben nicht den "ganz freien Diskurs" (so der Titel von Schmids Editorial) anzetteln. Die offiziellen Verlautbarungen des Verlags überzeugen zudem mit perfekt ins alte Raster passenden Tönen: "68er verweigern Dialog/Chance zur erneuten Auseinandersetzung mit der Vergangenheit vertan", steht über der Springer-Mitteilung zum Tribunal-Aus. "Bemerkenswert finden wir, dass ausgerechnet diejenigen, die immer den offenen Diskurs gefordert haben, diesen nun verweigern", erklärt dann noch Vorstandschef Mathias Döpfner.

Was zu den Bedingungen dieses "offenen Diskurses" der ebenfalls geladene, aber zur Absage entschlossene Schriftsteller Peter Schneider der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagt, lässt tiefer blicken: Statt eines Hearings unter Beteiligung anderer Medien habe die Diskussion auf eine "interne Veranstaltung mit etwa 50 geladenen Gästen" hinauslaufen sollen. Eine Zusammenfassung war demnach nur in der Welt vorgesehen, andere Medien hätten lediglich auf eine ausführliche Dokumentation im Internet zurückgreifen können, schreibt die FAS. Der Diskurs also ist frei, allein die Rahmenbedingungen fallen etwas enger aus?

"Mit Springer-Leuten über Springer und Anti-Springer zu reden: So weit reicht die Diskursbereitschaft dann doch nicht", beklagt Schmid nun in der Welt. Doch das sollte nachvollziehbar sein, gerade weil Schmid das "bei Springer" unterschlägt. Warum findet ein solches Tribunal nicht an einem unabhängigen Ort unter unbefangener Leitung statt - auch 1968 nicht ganz Unbeteiligte wie die Freie Universität Berlin oder die evangelische Kirche böten sich an.

Doch Springer sitzt allen Bekenntnissen zum Trotz immer noch in der alten Wagenburg. Obwohl - und das entbehrt nicht der Ironie - die Medien des Konzerns, auch und gerade die Welt, von Ideologien nach und nach befreit und auf Rendite getrimmt werden.

Schmid selbst setzt trotzig nach: "Mich enttäuscht diese klägliche Verweigerungshaltung. Doch damit ist die Diskussion nicht beendet. Wir werden es uns nicht nehmen lassen, über die damaligen Geschehnisse zu diskutieren, wann, wo und wie wir das für richtig halten."

Wer wollte da nicht viel Spaß wünschen? STEFFEN GRIMBERG

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