Umgang mit Krisen: Die Wahrheit ist ungefährlich

In Hamburg versuchten sich PR-Fachleute darüber zu verständigen, wie mit Krisen umzugehen sei. Eine Regel: Nicht lügen, denn das überfordert schnell das Gedächtnis

Lügengebäude halten nie lange: Ein Kunstwerk vor dem Eingang der Mainzer Kinderklinik. Bild: dpa

HAMBURG taz | Wenn man sich das Verhalten von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg oder japanischen Regierungsvertretern in der jüngeren Vergangenheit anschaut, bekommt man den Eindruck, den Begriff Krisenkommunikation hätten sie nie gehört. Jedenfalls haben sie bei der Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache kaum einen Fehler ausgelassen.

Das langfristig geplante Symposium „Kommunikation in der Krise – Offenheit und Authenzität im ‚Worst Case’“, das der Medizin-Management-Verband in der vergangenen Woche in Hamburg in einem Hafencity-Restaurant veranstaltete, gewann somit an Aktualität. Wobei es den Strategen des Berufsverbands natürlich vor allem um den richtigen Umgang mit den Katastrophen ging, die in der Gesundheitswirtschaft passieren: Behandlungsfehler, Medikamentenskandale und Ähnliches.

Als Rednerin war Caroline Bahnemann geladen, die stellvertretende Leiterin der Pressestelle der Uniklinik Mainz. Die war im vergangenen August durch einen offensiven Umgang mit einem Beinahe-GAU aufgefallen. Von Hand gemischte Infusionen für schwer kranke oder zu früh geborene Kinder hatten sich als verunreinigt erwiesen. Elf Säuglinge waren betroffen, drei starben, die Berichterstattung reichte bis nach Ägypten.

Die Klinik entschied sich damals in zweifacher Hinsicht für die Vorwärtsverteidigung - gegenüber der Presse und den Behörden. Kurz nachdem der Vorstand der Klinik von den Todesfällen erfahren hatte, schaltete er selbst die Staatsanwaltschaft ein. Die Medienstrategie folgte einfachen Regeln: Verantwortung übernehmen; alles sagen, was man weiß; vor allem: nicht lügen. Norbert Pfeiffer, der damalige Vorstandschef, sagte später: Wer lüge, müsse „ein gutes Gedächtnis haben“, damit er sich nicht irgendwann widerspreche. In diesem Sinne sei die Wahrheit immer ungefährlich.

Diffizil an der Causa war, dass „wir anfangs selbst nicht wussten, wo das Problem lag“, sagt Bahnemann. „Es hätte sein können, dass uns der Fehler beim Anmischen passiert ist.“ Zum Zeitpunkt der ersten Pressekonferenz waren zwei Babys verstorben, und man wusste, „dass mindestens ein weiteres sterben wird“. Die Strategie war eine kontrollierte Offensive. Die Pressestelle legte fünf Führungskräfte des Hauses als Interviewpartner fest, begleitete jeden Journalisten, bestimmte zudem Bildmotive und Drehorte. Auch aus Gründen des „Mitarbeiterschutzes“ (Bahnemann) - damit auf einem Bild nicht ein umbeteiligter Angestellter auftaucht.

Außerdem gelang es dem Pressestellenteam so, „Leichenwagenbilder“ zu verhindern. Die Presse habe kooperiert, alles sei „respektvoll abgelaufen“, sagt Bahnemann. Einmal habe morgens um kurz nach vier ein RTL-Team vor dem Haupteingang geduldig auf die Drehgenehmigung gewartet, obwohl das ZDF schon drin war. Nur wenige Medienleute benahmen sich daneben: Mal bot ein TV-Team einer Mutter Geld, damit sie die Identität einer betroffenen Familie offen legt, mal versuchte ein Spießgeselle durch einen Seiteneingang einzudringen.

Die Medienstrategie, so Bahnemann, habe dazu beigetragen, dass die Klinik „gestärkt“ aus der Krise hervorgegangen sei. Zumal sich herausstellte, dass niemand im Haus für die fatalen Infusionen verantwortlich gewesen war. Die Todesfälle resultierten aus einer Flasche, die verunreinigt angekommen war.

Zu Beginn der Krise hatte es auch Anzeichen dafür gegeben, dass sich die Geschichte anders entwickelt. Ein Medienvertreter hatte Wind von der Sache bekommen, bevor die erste Pressemitteilung verschickt war, wohlgemerkt an einem Sonntag. Dass Mitarbeiter des Hauses die Medienstrategie torpedierten, verhinderte man, indem man die eigenen Leute früher informierte als die Presse.

„Bevor Pressemitteilungen rausgingen, wurden sie übers Intranet an die Mitarbeiter verschickt.“ sagt Bahnemann. Niemand sollte das Gefühl haben, er erfahre Wichtiges zuerst aus der Zeitung. Eine Maxime, die nstitutionen auch in weniger kritischen Situationen beherzigen sollten.

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