Jakob Augstein kauft den "Freitag": Ein Traum, vielleicht

Jakob Augstein kauft die linke Wochenzeitung "Freitag". Die Redaktion schwankt zwischen Hoffen und Bangen.

"Freitag"-Nummer 21, online. Bild: Freitag.de

Die 1990 gegründete Berliner Ost-West-Wochenzeitung Freitag hat einen neuen Besitzer. Der Journalist Jakob Augstein, Sohn des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein und Aktionär beim Spiegel-Verlag, übernimmt zum 1. Juni das notorisch unterfinanzierte Blatt. Der Kaufpreis ist unbekannt, aber Augstein übernimmt Altschulden von etwa 300.000 Euro. Die bisherige Eigentümergruppe, zu denen der Psychologe Wilhelm Brüggen und die Journalisten Holger Schmale und Wolfgang Storz gehören, begrüßt Augsteins Engagement. Sie hatten - als Privatpersonen -das Blatt, das etwa 12.000 Abonnenten hat, in einer Existenzkrise in den 90er-Jahren finanziell unterstützt.

Was Augstein mit dem Freitag will, ist in Umrissen erkennbar: Kontinuität, aber auch Änderungen. Kein Redakteur wird entlassen, dafür soll wohl im Herbst ein Chefredakteur eingestellt werden - laut Gerüchten aus dem Umfeld der Süddeutschen Zeitung. Sicher ist, dass der Geschäftsführer Hein Eckhoff geht, dafür bringt Augstein Detlev Hustedt mit, der Anzeigenleiter bei der Woche war. Diese Personalie ist ein Signal. Der Freitag, der noch weniger Anzeigen als die taz hat, soll stärker über Werbung finanziert werden.

Redaktionell stehen wohl drei Neuigkeiten ins Haus. Der bescheidene Onlineauftritt soll verbessert werden. Außerdem soll es eine Kooperation mit dem linksliberalen britischen Guardian geben. Ende des Jahres scheinen ein Relaunch und eine Umfangerweiterung anzustehen. Die politische Position des Freitags, die zwischen linksbürgerlich und linksorthodox liegt, wird sich, so vermutet die Redaktion, Richtung linksliberal verschieben. Die Redakteure schwanken zwischen Hoffen und Bangen. Skeptisch stimmt, dass "uns keiner gefragt hat, was wir davon halten", so ein Redakteur. Gleichwohl hofft man auf Augsteins publizistischen Sachverstand. "Wenn er ein Lifestyleblatt für Berlin-Mitte machen will, hätte er sich doch nicht den Freitag gekauft", sagt ein Redakteur. Ein Zeitungskenner meint: "Dieser Verkauf bewegt sich irgendwo zwischen freundlicher und feindlicher Übernahme."

Augstein, der für die Süddeutsche und die Zeit schrieb, war schon länger auf der Suche nach einem eigenen Projekt. Sein Versuch, im Spiegel-Verlag ein Kulturmagazin zu publizieren, war erfolglos geblieben.

Ob der neue Freitag ein Erfolg wird, hängt wohl davon ab, ob der neue Besitzer die richtige Dosierung für Veränderungen findet. Der Wochenzeitungsmarkt ist schwierig. So sind in den letzten zehn Jahren finanziell weit aufwändigere und ehrgeizigere Blätter - von der Woche über das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt bis zur Wochenpost - bankrottgegangen. Der Freitag hingegen überlebte. Das Blatt hat anhängliche und empfindliche Leser, die - mehr als bei anderen Zeitungen - das Kapital des Blattes sind.

Der Freitag war ein politisches Projekt von Redaktion und Eigentümern. Das ist vorbei. Es gibt nun einen richtigen Besitzer. Früher, in ihren zahllosen Existenzkrisen, hat die Redaktion von dem Millionär geträumt, der das Blatt rettet. Jetzt ist er da. Nun zaudert die Redaktion, ob nicht gerade die Träume, die in Erfüllung gehen, das wahre Unglück sind.

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