Voreingenommener Sportjournalist fliegt: Feuer und Flamme für Olympia

Der Journalist Dieter Hennig hat den Fehler gemacht, unkritisch über das IOC zu berichten. Seinen Rauswurf aus dem Olympiateam des Sportinformationsdienstes rechtfertigt dies nicht.

Die olympische Flamme zieht so manche in ihren Bann - auch Journalisten sind nicht gefeit. Bild: ap

PEKING taz Die Internetwächter der Volksrepublik China sind weiter aktiv. Auch wenn nicht mehr ganz so streng zensiert wird wie noch vor ein paar Tagen, können Journalisten im Pressezentrum auf dem Olympiagelände in Peking noch immer etliche Seiten nicht aufrufen.

Die Zensur ist folglich weiter ein Thema unter den Medienvertretern kurz vor den Olympischen Spielen. Ein deutscher Sportjournalist indes wird sich nicht mehr dazu äußern. Dieter Hennig, der für die Nachrichtenagentur Sportinformationsdienst (SID) jahrelang über das Internationale Olympische Komitee berichtet hat, wurde von seinem Arbeitgeber zum Schweigen verdonnert.

Hennig hatte am Freitag vergangener Woche verbreitet, die chinesischen Behörden hätten alle Beschränkungen für Journalisten aufgehoben. Eine Falschmeldung. Dazu hatte er einen Kommentar verfasst, in dem er die Kollegen kritisierte, die das IOC seiner Meinung nach allzu hart angegriffen hatten. Der 64-Jährige, der als Redaktionsleiter des SID-Olympiateams vorgesehen war, muss nun nach Hause fliegen.

Zuvor allerdings wird er die olympische Flamme, die sich auf dem Weg in die Hauptstadt der Volksrepublik befindet, ein kurzes Stück ihres Weges tragen. Er gehört zu den fünf Journalisten, die vom IOC dazu auserkoren wurden. Hennig dürfte das als große Ehre empfinden. Als die meisten Journalisten den Fackellauf angesichts des Tibet-Konflikts als unwürdiges Spektakel verurteilten, zeigte sich Hennig noch fasziniert von der Symbolik des olympischen Feuers, dessen Lauf alle Welt in den "Bann ziehen" werde.

Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete Hennigs Arbeit in ihrer gestrigen Ausgabe als Propaganda. Der Propagandist wird nun als Privatmann die Fackel tragen. Er ist für seinen Arbeitgeber nicht mehr tragbar. "Dieter Hennig hat seit vielen Jahren eine klare Linie in der IOC-Berichterstattung gefahren. Dabei hat er dem Kanon der internationalen Berichterstattung oft auffällig widersprochen, auf eine unterstellt unkritische Weise", sagte Michael Cremer, Geschäftsführer des SID.

Die Falschmeldung, die Hennig in die Redaktionen schickte, hat ihre eigene Geschichte. Der SID nutzt einen privilegierten Internetzugang, einen, mit dem die Filter der chinesischen Internetpolizei umgangen werden können. Als Hennig seine Meldung verfasst hat, war ihm nicht klar, dass die Journalisten im Medienzentrum die Zensurbehörde keineswegs umgehen können.

Dass er arg schnell die Jubelmeldungen über den freien Internetzugang in die Welt posaunte, das kann ihm in der Tat zum Vorwurf gemacht werden. Die Kollegenschelte, die auf der eigenen Falschmeldung beruhte, ist in dieser Hinsicht ein Folgefehler. Aber rechtfertigt das die völlige Entsorgung Hennigs aus der dreiköpfigen Redaktionsleitung des Olympiateams, der er bis dato angehört hat?

Für Cremer keine Frage: "Wir, als Sportinformationsdienst, sind dazu verpflichtet, differenziert zu berichten, über alle Aspekte, also auch die Umstände der Olympischen Spiele", sagte er der taz und geht offenbar davon aus, dass Hennig dies nicht kann.

Man muss gewiss nicht alles toll finden, was Thomas Bach, der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes, absondert. Auch vom Auftreten des IOC muss man nicht begeistert sein. Doch jemanden kaltzustellen, der äußert, was derzeit gesellschaftlich nicht opportun ist, geht doch ein wenig arg weit.

Dass es einen Fall Hennig gibt, liegt auch an einflussreichen Journalisten, die in ihren Blogs das Thema erst so richtig groß gemacht haben. Einer von ihnen ist Jens Weinreich, Gründer der kritischen Journalistenvereinigung "Sportnetzwerk". Er hat ausführlich über den IOC-Freund Hennig berichtet und geurteilt. Der SID ist dem Urteil gefolgt und hat einem seiner langjährigen Mitarbeiter einen Maulkorb verpasst. Hennigs Fehler, so wie sie oben beschrieben wurden, mögen schwer zu verzeihen sein, eine harte arbeitsrechtliche Maßnahme, etwa ein Kündigung, rechtfertigen sie nicht. Hennig wurde klammheimlich ruhiggestellt.

Ein beinahe absurder Vorgang. Ausgerechnet beim Thema Zensur wird die Meinung auf den Druck eines Meinungsführers wie Weinreich hin gleichgeschaltet. Wer bei den Mitarbeitern im Pekinger Olympiabüro nach Hennig fragt, wird unterdessen nicht viel erfahren. Die Kollegen geben keine Auskunft, sie wurden zum Schweigen verdonnert. Manchmal ist keine gut ausgestattete Zensurbehörde von Nöten, um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu behindern.

Mitarbeit : John Hennig

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