Lobbyismus und Journalisten: Geschäft mit Halbwahrheiten

"Speichelleckend" werfen sich Journalisten an Lobbyisten heran, um so bequem an Informationen zu kommen. Das war nicht die einzige Kritik auf einer Tagung des Netzwerks Recherche.

Anti-Lobbyisten Aktion vor dem Bundestag. Bild: dpa

Lobbyisten konzentrieren sich nicht nur auf Politiker, sondern stecken immer mehr Ressourcen in die Medien. Das beobachtet Thomas Leif, Chefreporter des Landessenders Mainz beim Südwestrundfunk und Vorsitzender des Journalistenvereins Netzwerk Recherche. Lobbyisten würden im Auftrag von Unternehmen und Verbänden die Medien als "Sprungschanze nutzen, weil sie so die öffentliche und politische Debatte noch wirksamer beeinflussen können".

Leifs Verein hat am Freitag und Samstag eine Konferenz zum Lobbyismus mit rund 170 Teilnehmern in Berlin veranstaltet. PR-Berater und Berufsprovokateur Klaus Kocks beschrieb das Problem wie folgt: "Wir können gar nicht so viele Geschichten erfinden, wie ihr von uns haben wollt." Es sei "ekelhaft, wie speichelleckend sich Journalisten an Lobbyisten heranschmeißen, um so an Informationen zu kommen und bloß nicht selbst recherchieren zu müssen." Auch Leif monierte die "Bequemlichkeit vieler Journalisten". So kommt es dann zu dem von ihm kritisierten vermeintlich "perfekten Deal für beide Seiten: Journalisten bekommen in kurzer Zeit die sehr gut aufbereiteten Informationen, die sie brauchen. Und Lobbyisten können dafür die gewünschte Geschichte mit der gewünschten Zielrichtung unterbringen."

Mirjam Stegherr von der PR- und Lobbyagentur Fischer Appelt sieht das anders. Schließlich biete sie nur Informationen an und treffe keine Entscheidungen. Es sei dann Aufgabe von Politikern und Journalisten, auch die andere Seite anzuhören und sich am Ende selbst ein Bild zu machen. Stegherr: "Wir brauchen keine Schutzzonen für unser Denken, sondern freien Austausch."

Leif lässt das nicht gelten. Es gebe zu wenig Gegenexpertise zum wirtschaftsfreundlichen Mainstream: "Die Pluralität von Analyse ist unterentwickelt", kritische Wirtschaftswissenschaft finde an den Universitäten kaum noch statt. Zudem "gibt es nur wenige kritische Wirtschaftsjournalisten", findet Leif. Die Bankenkrise etwa sei vorher nicht annähernd in ihrem Ausmaß prognostiziert worden. Das Verhältnis von Wirtschaftsjournalisten zu Managern sei viel unkritischer als das Verhältnis von Politikjournalisten zu Politikern oder von Feuilletonschreibern zu Kulturschaffenden. Und schließlich gebe es auch nicht selten Einfluss von Unternehmen über die Anzeigenabteilungen der Verlage auf Redaktionen - nach Ansicht Leifs "eines der großen Tabuthemen im Journalismus".

Das Netzwerk Recherche fordert, dass im Parlament und den Ministerien klare Regeln für den Umgang mit Lobbyisten gelten. Deren Einfluss müsse transparent gemacht werden. Lobbyisten bräuchten zudem einen Verhaltenskodex, der auch den Umgang mit Journalisten regele. Und schließlich sei auch "vielen Journalisten zu wenig bewusst, welchen Einfluss Lobbyisten auf ihre Arbeit nehmen und welche Probleme das mit sich bringt", befand Leif. Auch die Verlage nahm er in die Pflicht: Guter, kritischer Wirtschaftsjournalismus brauche Geld.

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