Verleihung der Lead Awards 2011: Hauptsache, die Verpackung stimmt

Bei der Verleihung der Lead Awards in Hamburg gewannen die Bilder des jüngst verstorbenen Fotojournalisten Tim Hetherington. Und die "Bild".

Im Wettbewerb der Newcomer holten die Elternzeitschrift "Nido" Gold und "Beef", das Fachblatt für Herren am Herd, Bronze. Bild: dpa

HAMBURG taz | "Für mich bedeutet die Auszeichnung der Werke dieser beiden auch eine weitere und vielleicht entscheidende Niederlage des Journalismus, wie ich ihn verstehe." Das hat vor rund einer Woche der Journalist Michalis Pantelouris in seinem Blog "Print würgt" geschrieben, nachdem zwei Reporter der Bild-Zeitung für ihre Berichterstattung über Griechenland mit dem Herbert-Quandt-Medienpreis ausgezeichnet worden waren. "Eine Branche, in der das, was diese beiden tun, preiswürdig ist, ist verloren", ergänzt der Blogger, der sich recht regelmäßig mit dem eher bescheidenem Realitätsgehalt der Griechenland-Artikel aus dem Hause Bild beschäftigt.

In diesem Sinne hat der Journalismus am Mittwochabend in den Hamburger Deichtorhallen eine weitere, wenn auch vielleicht nicht "entscheidende" Niederlage erlitten. Denn bei der Verleihung der Lead Awards, dem wichtigsten deutschen Zeitschriften- und Onlinepreis, bekam Veronika Illmer, die Artdirectorin von Bild und Bild am Sonntag, die silberne Auszeichnung in der Kategorie "Visual Leader". Oder, um es mit der Schlagzeile zu sagen, mit der das prämierte Blatt seinen Erfolg heute morgen feierte: "Und der Medien-Oscar geht an ... BILD!"

Unabhängig davon, ob Illmer nun eine visuelle Führerin ist und ob die tägliche Bild als Zeitung überhaupt etwas zu suchen hat bei den Lead Awards, stellt sich die Frage, ob den Juroren der Inhalt, den Illmer seit zehn Jahren auf vermeintlich leader-mäßige Weise verpackt, eigentlich vollkommen egal ist. Angesichts der aktuellen Entwicklung an der Journalistenpreisfront klingt die Vorstellung, dass Kai Diekmann in absehbarer Zeit für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird, leider nicht mehr völlig abwegig.

Über den Fleck auf den Westen der Juroren konnte man aber zumindest in jenem Moment hinwegsehen, als bekannt gegeben wurde, dass der am 20. April im libyschen Masrata ums Leben gekommenen Kriegsberichterstatter Tim Hetherington mit dem ersten Preis in der Kategorie Reportagefotografie ausgezeichnet wurde - für das im Stern erschienene Stück "Unter Kriegern", das den Alltag der US-Soldaten in Afghanistan beleuchtet, wo er unter ähnlich gefährlichen Umständen arbeitete wie in Libyen.

Es sei Hetheringtons Preis und nicht der der Stern, sagte dessen Chefredakteur Andreas Petzold zu der Auszeichnung. Die generösen Worte konnte er sich erlauben, denn es war insgesamt ein guter Abend für den Verlag Gruner + Jahr. Der Stern siegte mit einem Bild zum Thema Afrika-Flüchtlinge in einer weiteren Fotokategorie, und im Wettbewerb der Newcomer holten die Elternzeitschrift Nido Gold und Beef, das Fachblatt für Herren am Herd, Bronze.

5 Preise fürs "Zeit"-Magazin

"Beide orientieren sich am Leser, und nicht am Anzeigenkunden", meint Markus Peichl, der Vorsitzende der Lead-Awards-Jury. Ein Satz, der auch viel über die jüngere Vergangenheit der hiesigen Zeitschriftenbranche aussagt. Dass Verlage allzu oft Magazine auf den Markt warfen, die man allein mit Blick auf Werbekun den entwickelt hat, ist ja ein Grund für das derzeit etwas ramponierte Image der Printbranche.

Mit noch breiteren Schultern als die G+J-Leute gingen die Führungskräfte des Zeit-Verlags nach Hause: Insgesamt fünf Preise gewannen das Zeit-Magazin - "Das Heft, das momentan im Magazinjournalismus weit voraus ist" (Peichl) - sowie Zeit Online. Vom Internet-Ableger der Wochenzeitung stammt auch der formal innovativste Beitrag unter den ausgezeichneten Arbeiten: die Visualisierung der Vorratsdaten des Grünen-Politikers Malte Spitz, die sich im Laufe eines halbes Jahres angehäuft hatten und deren Herausgabe der Volksvertreter bei der Telekom eingeklagt hatte.

Unklar ist derzeit die Zukunft der Lead Awards. Organisator Peichl sagt, es sei "kein Geheimnis, dass Berlin die Lead Awards gern hätte", um schnell hinterherzuschieben, "eine Schau dieser Art" sei "nur in der Kreativhauptstadt Hamburg denkbar". Dass es noch Menschen auf Erden gibt, die Hamburg als "Kreativhauptstadt" bezeichnen, wird möglicherweise die Herzen der örtlichen Standortpolitiker derart erwärmen, dass sie im kommenden Jahr, wenn die Lead Awards zum 20. Mal über die Bühne gehen, wieder mehr Steuergelder spendieren. Für das aktuelle Spektakel hatte die Kulturbehörde ihre Subventionen um 5.000 Euro gekürzt.

"Visual Leader 2011" (Ausstellung), bis zum 14. August, Haus der Photographie in den Deichtorhallen Hamburg.

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