Podcast aus dem Knast: Kaugummizäher Arrest

Das bisschen Knast? Die Realität hört sich anders an: Bei podknast.de sprechen junge Straftäter über den Alltag im Jugendarrest, Handy-Verbot und Einsamkeit.

Jeden Monat neu: Stimmen aus dem Knast. Bild: screenshot podknast.de

Kein Fernseher auf der Zelle, kein MP3-Player, ein Handy sowieso nicht, und wer sich tagsüber aufs Bett legt, erhält Strafpunkte. Dass die Regeln in der Düsseldorfer Jugendarrestanstalt (JAA) so streng sind, ahnt kaum ein straffälliger Jugendlicher - bis er es selbst erlebt. Draußen wird oft noch geflachst: das bisschen Arrest? Kein Problem! Doch wenn sich dann zum ersten Mal die Stahltür schließt, wird es still, sehr still. Und der Tag zieht sich plötzlich wie Kaugummi.

Was den Jugendlichen in der JAA so durch den Kopf geht, wie sie denken und fühlen, kann nun jeder im Internet hören. Unter www.podknast.de berichten sie in Audiobeiträgen über ihre Erfahrungen im maximal vierwöchigen Arrest - natürlich anonym. Etwa, wie es ist, mutterseelenallein zu sein. Wie es sich anfühlt, Familie und Freunde zu vermissen. Oder wie viel Spaß es macht, ein Buch zu lesen, und zwar ganz, was vielen draußen nie in den Sinn gekommen wäre. "Ich sitze oft auf meiner Zelle und bin übelst am Nachdenken", sagt der 20-jährige Ben. Aus seinen Gedanken hat er ein Gedicht gemacht. Im Internet findet es jetzt Zuhörer. Das Projekt ist einmalig im deutschen Strafvollzug. Anstaltsleiter Edwin Pütz will mit den Podcasts vor allem potenzielle Straftäter ansprechen: "Wir wollen Transparenz schaffen, was Arrest in jungen Menschen bewirkt", sagt Pütz. Dass er Jugendliche damit zum Nachdenken bringt, bevor sie klauen oder sich prügeln und deshalb hinter Gittern landen, davon ist der Anstaltsleiter überzeugt: "Die Jugendlichen hier sind mit denen draußen auf einer Ebene, sie sprechen ihre Sprache." Eine Broschüre könne das nicht leisten. Deshalb will Pütz, der auch Jugendrichter ist, einem Teil seiner Klientel künftig zur Auflage machen, den Podcast anzuhören.

Auch im NRW-Justizministerium, das neben der Landesanstalt für Medien das Projekt finanziert, setzt man auf die Originalität der Beiträge - und auf Abschreckung. Die Podcasts sollten da weitermachen, wo das Gerichtsfernsehen aufhöre, sagt Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU): "Die authentischen Tonzeugnisse der Arrestanten sollen eine Zielgruppe ansprechen, die wir mit herkömmlichen Medien nicht erreichen." Für die Jugendlichen im Arrest, zumindest für jene, die sich "weitgehend verständlich ausdrücken können", bietet das Projekt zudem die Möglichkeit, Einblicke in die Produktion eines Podcasts zu gewinnen.

Bislang stehen vier Beiträge im Netz, die Resonanz ist gut. Jeden Monat sollen nun ein, zwei Podcasts hinzukommen, vielleicht auch ein Blog, in dem ein Jugendlicher regelmäßig darüber berichtet, was es heißt, eingesperrt zu sein. "Noch einmal vier Wochen oder so hier drin?", sagt der 20-jährige Mike: "Nie wieder!"

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.