ARTE-FILM "AM ENDE DES MEERES": Lost in Triest

Viel weniger kitschig, als der Titel vermuten lässt: "Am Ende des Meeres" von Nora Hoppe erzählt eine nebulöse, aber stilsichere Geschichte zweier gestrandeter Menschen.

Schmuggler Todor (Miki Manojlovic, li.), nachdem ihm die neue "Ware" in Form von Nilofar (Diana Dobreva, re.) zufiel. Bild: ZDF / © Flying Moon Filmproduktion/Walther Wehner

Todor (Miki Manojlovic), ein kauziger Typ, der selten ein Wort zu viel sagt, verdient sein Geld mit Zigarettenschmuggel. Im verschachtelten Stadtkern der Hafenstadt Triest bewohnt er ein bescheidenes Appartment, schaut ab und zu in der Kneipe vorbei. Ansonsten passiert nicht viel. Todor führt ein Leben im Gleichklang - so beständig, wie die Wellen ans Hafenbecken der Stadt Triest klatschen.

Wie ein Geschenk kommt da die Kiste daher, die Todor bei einer Warenübergabe in die Hände fällt und in der - betäubt und fertig für den Prostitutionsmarkt - die junge Iranerin Nilofar (Diana Dobreva) liegt. Dass er letzten Endes selbst in die Fänge ebendieser Schmugglerbande gerät, ist die bittere Ironie des Schicksals.

In langen Einstellungen erzählt Regisseurin und Drehbuchautorin Nora Hoppe die Geschichte zweier Gestrandeter, die das Leben auf sonderbare Weise zusammenschweißt.

Denn auch Todor ist auf der Suche. Anders ist es nicht zu erklären, dass er die junge Frau zu sich nimmt, sie trotz aller Widerstände und Kratzbürstigkeiten, mit der sie ihm entgegentritt, gesundpflegen will und bald alles daran setzt, ihr auf dem Schwarzmarkt einen Pass zu besorgen. Das wird spätestens dann klar, wenn er, langsam und mit Bedacht, den Schmutz von ihrem verdreckten Körper wäscht, die Hand der bewusstlosen Frau nimmt, um sie sich ans Gesicht zu legen. Dabei ist das beständig wiederkehrende Motiv des Meeres Metapher und Sinnbild zugleich für den nebulösen Zustand, in dem sich die handelnden Figuren befinden. Denn der Frage, wie Nilofar und Todor zu dem wurden, was sie sind, weicht der Film konsequent aus. Nur hier und da sickern ein paar Andeutungen an die Oberfläche. Etwa, dass Nilofar ihr Leben lang auf der Flucht ist und aus ungenannten Gründen die französische Hauptstadt ansteuert. Ansonsten bleibt vieles im Dunkeln. So richtig nahe kommt man den Figuren damit nicht.

So kommt es, dass "Am Ende des Meeres" ein recht handlungsarmer Film ist, der sich dadurch jedoch Zeit nimmt, die Atmosphäre, von der Ort und Figuren umgeben sind, genau zu beschreiben. Die langen, unaufgeregten Einstellungen vermitteln ein Gefühl der Zeitenthobenheit, mit der sich die Dinge im melancholisch gebläuten Triest entwickeln.

Dabei will der Film vor allem Bilder sprechen lassen. Somit wird auch der Wendepunkt der Geschichte, an dem beiden Figuren klar wird, dass sie einander brauchen, eindrucksvoll bebildert. Wie von Sinnen will Nilofar auf Todor einstechen und verlangt mit einer verstörend zischenden Stimme Pass und Klamotten. Nachdem beide um das Messer ringen, dreht sie sich plötzlich um und verlässt mit knirschenden Glasscherben unter den Füßen den Raum. In einem Anfall von Selbstzerstörung stampft sie noch einmal kräftig auf. Man möchte am liebsten wegsehen.

Dabei ist es eine der klaren Stärken des Films, dass Inhalt und visuelle Umsetzung Hand in Hand arbeiten. Die schleichende Annäherung der beiden Figuren wird so präzise umgesetzt, dass der Film im Grunde auch ohne Ton funktionieren würde. Sicherlich ist das auch der herausragenden Arbeit des aus Litauen stammenden Kameramanns Rimvydas Leipus zu verdanken. Neben "Khadak" (Regie: Peter Brosens), der die Heldengeschichte eines 17-jährigen Mongolen erzählt, und zuletzt "Farewell" hat Leipus auch an einigen Dokumentarfilmen mitgearbeitet.

Das merkt man auch dem ruhigen und stets abwarteten Blick an, der aus den Bildern in "Am Ende des Meeres" spricht. Passend zur elliptischen Erzählweise kommen die Kameraeinstellungen wie filmische Auslassungszeichen daher, die der Zuschauer mit Leben füllen soll. So ansprechend das in visueller Hinsicht auch ist: Die Deutungshoheit, die man dem Zuschauer zuspricht, strengt auf Dauer leider ziemlich an.

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