ZDF-"Nachtstudio": Manchmal auch Fische

Herr Panzer, wir müssen reden: Mit dem "Nachtstudio" und seinem Moderator Volker Panzer leistet sich das ZDF ein astreines Edel-Trash-Talk-Format. Und das seit zehn Jahren. Heijeijei

Zum Zeitpunkt der Aufnahme stand Herr Panzer noch ganz am Anfang seines Nachtstudios Bild: dpa

Eines Abends sah auch ich erstmals das Licht am Ende der Sendeschiene. Es flackerte nervös in Flämmchen auf einem Monitor. Um ihn herum lehnten klassische Kaminbefeuerungsutensilien. Leicht irritiert starrte ich auf die Flamme, die kurz davor war, mich aus meinem natürlichen körperlichen Ruhezustand während einer Zapp-Phase zu reißen. Da sprach auch schon die Stimme zu mir. Seine Stimme. Volker Panzers Stimme.

Ich war hin und weg. Von diesem Mann mit dem grauen Anzug, der da Sonntags um 0 Uhr 20 im Zweiten Fernsehen in einer Runde mit vier Gästen in tiefen Sesseln saß und versuchte, sich mit allen gleichrangig und auf Augenhöhe zu unterhalten. Leider habe ich erst jetzt, im Internet, erfahren, dass er "aussieht wie Harvey Keitel". Das hätte so einiges viel früher erklärt.

Seit exakt zehn Jahren nun moderiert dieser Volker Panzer - ein 68er, der in Frankfurt studiert hat, Politik und Soziologie und was man damals so studierte, um irgendwann festzustellen, dass man nicht ans Gymnasium möchte, um rebellierende Kinder zu unterrichten, sondern doch lieber was Intellektuelles mit Medien machen möchte - seit zehn Jahren moderiert er also nach langjähriger Reportertätigkeit sein "Nachtstudio", eine Talkshow mit Kultur-, Philosophie-, Wissenschafts-, Zeitgeist- und Zukunftsanspruch im Nachtprogramm. Ein Ende ist nicht abzusehen. Die Quotenzielvorgabe stimmt. 300.000 bis 400.000 ZuschauerInnen, die "nicht schon um zehn Uhr schlafen gehen" (Panzer) pro wöchentlicher Folge.

Wie macht er das bloß?

Ich besuchte ihn - im Nebengebäude des ZDF-Hauptstadtstudios, in einem kuscheligen und wohl temperierten Dachgeschossbüro. Kaum hatte ich die Räume betreten, hörte ich die Stimme hinter mir. Seine Stimme. Ich drehte mich um und sagte artig "Guten Tag". Er lächelte und erwiderte erfreut das "Guten Tag" und überreichte mir prompt ein Geschenk. Eine CD, Special zum Jubiläum, zehn Lieder, die in zehn Jahren im "Nachtstudio" live gespielt wurden. Es sollte der Beginn eines wunderbaren Gesprächs sein.

"Herr Panzer, Ihre Jubiläumssondersendungen haben das Thema Strategien der Weltverbesserung", begann ich, "hat denn das Nachtstudio die Welt verbessert?" Er lachte, warf den Kopf zurück, wuschelte sich durch das wellige, schulterlange Haar ("Das kommt alles wieder runter zur Sendungsaufzeichnung, Sommerlook") und holte Luft. "Naha-neeiin", sagte er, "das wäre ein bisschen hochgegriffen, aber -", fuhr er nach einer Betonungspause fort: "man muss sagen, es hat vielleicht an ein Paar Punkten Orientierung gegeben in dieser Welt. Und - darauf bin ich auch stolz," fuhr er weiter fort, "wir haben diese Gesprächskultur im Fernsehen durchaus etwas verbessert."

Immerhin hört man Gäste dieses Moderators selten mit der Floskel kämpfen: "Lassen Sie mich ausreden, ich habe Sie auch ausreden lassen." Er lädt andere Kaliber zu sich "an den elektrischen Kamin". Gerhard Henschel zum Beispiel, der es geschafft hat, von Panzer als Gast der schlimmsten Sendung erinnert zu werden. Gemeinsam mit Wiglaf Droste wollte er bereits die Eingangsfrage zur Dylan-Thema-Sendung nicht akzeptieren ("Sie als Dylan-Experte" - "Wir sind keine Experten"). "Ich glaube, die hatten sich einen Jux gemacht", sagt Panzer heute, "sie wollten mal zeigen, was man im Fernsehen alles so machen kann."

Er nahm es nicht persönlich? "Na ja", sagte er, "vielleicht doch, vielleicht wollten sie dem Moderator eins auswischen, der sich anmaßt, eine Dylan-Sendung zu machen, obwohl er nicht in der Fan-Gemeinschaft ist." Ich fragte mich und ihn, wie lange er das Nachtstudio wohl moderieren würde? Er grinste. "Ich sage es so: Das Format ist relativ robust, was sollte sich da groß ändern. Und meine Konstitution ist dem Format angemessen auch robust. Mehr will ich darüber nicht sagen, das wäre ja Blödsinn." Er wirkte so weit auch sehr zufrieden. "Immerhin", sagte er, "wir bekommen jetzt ein neues Studio, ein ganz schickes!" Mit etwas helleren Farben und ohne "fünften Gast", den virtuellen Kamin. "Der steht jetzt weiter im Hintergrund, nicht mehr zwischen den Gästen."

"Ja, der Kamin", setzte ich an - er nickte bereits und holte Luft für eine ausführliche Erklärung: "Ah. Der Kamin. Der Kamin dient zur Wiedererkennung. Er ist aber auch eine ironische Zitation des Programms der damaligen Nachtsender. Irgendwo bei den Privatsendern, ich weiß nicht mehr, wo, gab es ein Kaminfeuer, das die ganze Nacht brannte. Beim ORB gab es ein Aquarium, beim SFB die S-Bahn, die die ganze Nacht fuhr, im BR die Space Night. Und der Kamin ist ja aus verschiedenen Bildern zusammengesetzt, das sieht nur keiner, da ist nicht nur Feuer drin, sondern auch Wasser, manchmal schwimmen Fische durch."

Ich war beeindruckt. Und hatte nur noch eine Frage: "Stört es Sie, dass Ihre Sendung bei vielen unter der Rubrik Edel-Trash läuft?" Er lächelte. Und sagte: "Nein, das stört mich nicht."

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