"Zentralorgan der Anarchie" erscheint nicht mehr: Mission erfüllt

Die kroatische Satirezeitung "Feral Tribune" hat für die Demokratie gekämpft - und ist letztlich an ihr gescheitert.

Einst wichtiger als Essen und Zigaretten, im modernen Kroatien überflüssig: "Feral Tribune" erscheint nicht mehr. Bild: screenshot feral tribune

SPLIT taz Es ist aus und vorbei. Predrag Lucic hat den Kampf aufgegeben. Die legendäre satirische Wochenzeitung Feral Tribune aus Split, zu deren Mitbegründern Lucic zählt, ist seit einigen Tagen bankrott - eine schwere Niederlage nach einer Reihe von Rettungsversuchen.

Wie anders war die Stimmung im Frühjahr 1993: Damals gelang es dem Tudjman-Regime, die zweitgrößte Tageszeitung des Landes, Slobodna Dalmacija (Freies Dalmatien), auf Linie zu bringen und in das eigene Propagandanetzwerk einzubauen. Doch einige Redakteure revoltierten, auch Lucic. Der Widerstand formierte sich um die satirische Wochenendbeilage "Feral Tribune", aus der die Wochenzeitung hervorging. Zu Tudjmans Lebzeiten war sie der Kristallisationspunkt der Kritik am "Faschismus light" des kroatischen Regimes und der entsprechenden Herrschaften in anderen Teilen Exjugoslawiens mit einer Auflage von 40.000 Exemplaren. Über Feral hielten die kritischen Intellektuellen aus Belgrad, Zagreb und Sarajevo Kontakt. Nicht nach Essen und Zigaretten fragten die Freunde im belagerten Sarajevo während des Kriegs zuerst, sondern: "Hast du eine Feral mitgebracht?"

Legendär bis heute sind die pointierten Titelbilder wie die Collage, die Kroatiens Präsidenten Tudjman und den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic gemeinsam im Bett zeigt, ein Symbol für die Zusammenarbeit der beiden Regime während des Kriegs in Bosnien und Herzegowina. Das traf ins Mark. Und handelte der Zeitung Erscheinungsverbote und Geldstrafen ein. Doch auch Solidarität, finanzielle Unterstützung aus dem Ausland bis hin zum Europaparlament. Feral Tribune widersetzte sich auch der Manipulation der Sprache, das "Zentralorgan der Häretiker und Anarchisten" benutzte die Stadtsprache der 1.700 Jahre alten Stadt Split mit ihrer besonderen kritischen Tradition und bewahrte so viele davor, die Sprache der nationalistischen Gleichmacherei mit zu vollziehen. Kritische Intellektuelle wie der Verleger Nenad Popovic sehen darin eines der größten Verdienste der Zeitung.

Doch mit dem Tode Tudjmans Ende 1999 und dem Sieg der demokratischen Koalition unter Führung der Sozialdemokraten, für die Feral immer eingetreten war, begann ihr Niedergang. Schon damals unkten die Redakteure, nach Tudjmans Tod sei ihre Mission erfüllt. Einige wichtige Leute verließen das Blatt. Und die Restredaktion versuchte sich vergeblich darin, die neue Regierung wie die alte zu behandeln. Die Auflage sank. "Feral hat die Zeichen der Zeit nicht richtig verstanden", sagen Kollegen aus der Journalistengewerkschaft. Die Redaktion versuchte Skandale aufzudecken, hatte aber gegen finanziell besser ausgestattete Wochenzeitungen wie Globus keine Chance. Feral ist im neuen Kroatien nie wirklich angekommen.

Ein letzter Versuch startete letztes Jahr, als der in Kroatien sehr aktive WAZ-Verlag finanzielle und administrative Hilfe gewährte, sogar die Druckkosten übernahm. Doch die Zeitung kam nicht wieder auf die Beine. Finanzielle Engpässe und redaktionelle Querelen führten schließlich zum Aus. Doch Lucic hat sich den Titel gesichert: "Wer weiß, vielleicht entsteht sie wieder."

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