Politischer Sonntagstalk in der ARD: Nach dem Mord kommt Jauch

Ab Herbst 2011 wird Günther Jauch den sonntäglichen Polittalk in der ARD übernehmen. Der Moderator erhält einen Vertrag über drei Jahre. Anne Will soll einen neuen Sendeplatz erhalten.

Jetzt also doch: Jauch wird öffentlich-rechtlich. Bild: dpa

BERLIN taz | Günther Jauch geht im Herbst 2011 zur ARD, bei der er einst seine Rundfunkkarriere begann, zurück. NDR und WDR gewannen ihn für einen Dreijahresvertrag. Parallel bleibt er als Moderator der Quizshow "Wer wird Millionär?" bei RTL. Die Talkmoderatorin Anne Will verliert, aus welchen Gründen auch immer, zu Jauchs Gunsten ihre Sonntagabendgesprächssendung um 21.45 Uhr. Und - ARD-intern seit langem eine große Baustelle - die "Tagesthemen", deren Anfangszeiten bisher häufig wechselten, sollen 2011 von Montag bis Donnerstag einen einheitlichen Beginn bekommen.

Man muss ein wenig aufpassen, die Aufregung der ARD und eigentlich auch aller anderen dabei nicht für die eigene zu halten. Die Nachrichtenticker, in diesem Fall die Deutsche Presse-Agentur, meldeten Jauchs Wechsel zur ARD mit der Nachrichtenwichtigkeitsstufe 2. Wenn eine Nachricht Priorität 1 hat, dann sind gerade zwei Flugzeuge in zwei Hochhäuser geflogen. Jauch ist 2. Der Rest ist 4.

Was also ist laut ARD-Vorsitzendem Peter Boudgoust nun passiert? "Wir bieten dem Großmeister der journalistischen Unterhaltung", also Jauch, " ein Programmumfeld, das seinen Fähigkeiten entspricht", wurde er zitiert. "Und den Gebührenzahler kostet seine Verpflichtung keinen Cent mehr. Dazu die Vereinheitlichung der ,Tagesthemen'-Anfangszeiten: ein perfekter Coup." So weit die Pressemitteilung von Donnerstag, 13:13 Uhr.

Wenn man das in die Sprache des Fernsehzuschauers übersetzt, bedeutet das eigentlich: Ein beliebter Showmoderator wird bei der ARD das Gesicht der Politik, Boudgoust spricht schließlich von "journalistischer Unterhaltung". Unterhaltung ist eine unterhaltsame Angelegenheit, Jauch ist zweifellos ein guter Unterhalter, aber bisher liefen politische Talkshows bei der ARD in der Kategorie "wichtig, wichtig". Politiker sprechen persönlich vor, sogar Guido Westerwelle, der deutsche Chefdiplomat, war schon mehrfach zu Besuch - kann ja also nur wichtig sein.

Vielleicht müsste also, um zu verstehen, was da nun wirklich passiert, erst einmal geklärt werden, was eine politische Talksendung im Sonntagabendfernsehen tatsächlich leisten soll. Unterhalten? Okay. Dann nennen wir sie doch einfach: Talkshow. Oder die politische Bildung und vor allem die politische Diskussion vorantreiben? Okay. Dann setzen wir da aber keinen Unterhalter hin. Oder beides, aber nicht so richtig? Dann nehmen wir Frank Plasberg, der mittwochs seine Talkshow "hart aber fair" sendet und der sich so gut auf Boulevardjournalismus versteht wie kaum ein für seriös gehaltener Journalist neben ihm.

Das Ergebnis kann nur zweierlei sein: Man hält Günther Jauch in der ARD für einen politischen Unterhalter, aber mit einem Schwerpunkt auf jener Ernsthaftigkeit, auf die bei Plasberg, dem seine Fragen wichtiger zu sein scheinen als die Antworten, kein Verlass ist. Oder man definiert "politische Talksendung" um und macht ein öffentlich-rechtliches "Stern-TV" draus, so wie Jörg Pilawa es laut einer-Meldung vom Mai beim ZDF machen soll. Spiegel

Man kann mutmaßen, dass es sich um Ersteres handelt, eine ernsthafte politische Sendung also. Denn so doof, ein Promi-, Service- und Krawallmagazin für eingebildete Halbgebildete wie "Stern-TV" als "politische Talksendung" zu bezeichnen, wird man bei der ARD ja schon nicht sein. Dann aber ist die Frage: Was für eine Nachricht ist die Nachricht von Jauchs Rückkehr zur ARD eigentlich für Anne Will? Sie soll mit ihrer Sendung wohl auf den Donnerstagabend rücken, an dem es bisher Comedy und Satire gibt (die nach ARD-Angaben "weiter ihren Platz im Ersten haben" sollen). Irgendwie drängt sich dabei nun die Interpretation auf, die ehemalige "Tagesthemen"- und "Sportschau"-Moderatorin könne es - also politisch und unterhaltsam sein - nicht; Fakt ist aber: Bei allen Senderchefs beliebt war sie nie - und, vor allem, immer schon zweite Wahl gewesen. Jauch führte schon 2006/2007 Verhandlungen mit der ARD; damals sagte er nach langem Hin und Her ab, weil die ARD-Gremien forderten, er solle dafür "Stern-TV" aufgeben, was er damals noch nicht gewollt hatte. Jauch prägte damals einen Begriff von bleibender Schönheit: "Gremien-Gremlins". Anne Will bekam den Talkplatz.

Dass Jauch nun offenbar mit den Gremlins seinen Frieden gemacht hat, könnte damit zu tun haben, dass seine Produktionsfirma I & U in den vergangenen Jahren einige Aufträge von der ARD bekam, Jauch selbst etwa durch Einladungen zu ausgerechnet "Anne Will" gebauchpinselt wurde und vielleicht auch dadurch, dass er selbst weiß, dass nach einem Moderator von "Stern-TV" keine Journalistenpreise benannt werden.

Vergessen werden darf allerdings nicht der beste Satz der Pressemitteilung der ARD. Es ist der letzte, und er lautet: "Die Verabredung mit Günther Jauch steht unter dem Vorbehalt, dass die damit zu befassenden Gremien der ARD dieser Vereinbarung zustimmen."

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