Neue Vox-Serie übers Lügen: Nüsternblähen und Wimpernschlag

Die Mimik verrät jeden, alle lügen gleich - und der fleischgewordene Lügendetektor Dr. Cal Lightman enttarnt sie in der neuen Serie "Lie to me" (21.15 Uhr, Vox).

Doktor Carl Lightman (Tim Roth) - Meister der Lügenerkennung. Bild: vox/vp/kh

Das Lügen, es vereint uns Menschen. Egal aus welchem Kulturkreis wir kommen, egal welche politische Gesinnung wir haben, egal welchen Geschlechts wir sind: Wenn wir uns an der Wahrheit vorbeimogeln wollen, spiegeln sich auf unserem Gesicht die gleichen unbewussten Abwehrmaßnahmen. Nach dieser Grunderkenntnis arbeitet der Held der Serie "Lie to me", der Verhaltensforscher Dr. Cal Lightman (Tim Roth). Der freundliche Doc ist eine Art fleischgewordener Lügendetektor, der nach einem von ihm erstellten mikromimischen Katalog sagen kann, ob sein Gegenüber die Wahrheit sagt oder nicht.

In der US-Krimireihe, mit der Vox seinen Krimi-Mittwoch aufstockt, tritt der Kriminologe einer Reihe von Verdächtigen und zweifelhaften Zeugen gegenüber, deren Aussagen er für die Polizei oder Privatkunden verifizieren oder falsifizieren soll. Jedes minimale Nüsternblähen und Lippenlecken, jeder Wimpernschlag und jedes Augenbrauenzucken entscheidet über die Glaubwürdigkeit seiner Studienobjekte. Denn ganz gleich, welche Anstrengung der Mensch unternimmt, um sich zu verstellen, im Bruchteil einer Sekunde huscht ihm stets ein Ausdruck über das Gesicht, der seinen wahren Gemütszustand verrät. Gefilmt und in Einzelbilder zerlegt ergibt es den objektiven Beweis.

So verhält es sich jedenfalls für Dr. Cal Lightman, der im US-Wissenschaftsbetrieb ein reales Vorbild hat: den Psychologie-Professor Paul Ekman von der University of California in San Francisco, der mit seinem Team eine Art mimischen Atlas erstellt hat, in dem sämtliche menschlichen Gefühlsregungen kartografiert und katalogisiert sind. Demnach gibt es 3.000 emotional motivierte Gesichtsausdrücke, festgehalten in Professor Ekmans "Facial Action Coding System".

So drückt sich das Lügen nicht nur in tausenden Gesichtsbewegungen aus, es bietet "Lie to me" (Chefautor: Samuel Baum) auch tausende Täuschungsmanöver, die es zu durchschauen gilt. Stoff für potenziell unendlich viele Folgen. Mit jedem Fall steigt das Team um Dr. Lightman in ein Labyrinth von Unwahrheiten hinab. Bei der Täterüberführung gibt es nicht nur die eine böse Lüge, die es zu entlarven gilt, sondern ein Geflecht aus Selbsttäuschungen, institutionellen Irreführungen und Liebeslügen, das entwirrt werden muss.

Damit beim forensischen Psychologisieren, bei der trockenen Taktung von Gespräch und direkt folgender Gesichtsanalyse, keine Langeweile aufkommt, schneiden die Filmemacher zum Höhepunkt der Ermittlungen immer wieder plakativ die Konterfeis berühmter Lügner in die Gesichtsmuskelanalyse: O.J. Simpson und Ussama Bin Laden, Dick Cheney und Adolf Hitler, George W. Bush und Saddam Hussein - die Aneinanderreihung dieser schon ikonischen Wahrheitsverdreher wird jedoch nicht etwa in einen moralisch qualitativen Zusammenhang gerückt. Denn nach der Grunderkenntnis des Professor Ekman, nachdem die Mikromimik des Menschen genetisch und nicht kulturell bedingt ist, haben wir beim Lügen eben alle den objektiv gleichen Gesichtsausdruck. Das Lügen, es vereint die Menschen.

Nur Dr. Lightman und seine Spezialisten, die in den USA trotz mäßiger Quoten gerade in die zweite Staffel geschickt worden sind, vereinzeln bei der Arbeit immer mehr. Das ist die tragische Komponente dieses quasi-wissenschaftlichen Überführungskrimis: Wer mag schon mit jemandem zusammen sein, der im Gesicht seines Gegenübers ständig nach der nächsten Lüge Ausschau hält.

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