„Unser Star für Oslo“: Ohne Dieter-Bohlen-Elend

Die Kooperation der ARD zum Eurovision Song Contest mit Stefan Raab lief am Dienstag auf Pro7. Das Sehen lohnte sich: als eine souveräne Kritik sonstiger Castingformate.

Illustre Jury: Stefan Raab, Yvonne Catterfeld, Marius Müller-Westernhagen. Bild: dpa

BERLIN taz | „Ich hoffe, ich habe euch mit Respekt behandelt“, sagte Yvonne Catterfeld, Popchanteuse mit Chartserfahrung, zu den zehn KandidatInnen, die in der Premierenvorrunde – von insgeamt fünf – antraten, um musikalisches und performatives Talent zu zeigen.

Ja, da hatte die auch in Viva-affinen Kreisen akzeptierte Frau richtig gelegen. Sie, wie auch Marius Müller-Westernhagen und Stefan Raab, hatten die AspirantInnen nach deren Acts bewertet. Gelegentlich gegen das Kölner Studiopublikum, in jedem Fall jedoch um Fairness bemüht: Da war dann die Rede von „Authentizität“, von „Berührung“, von „Timbre“ und von „massiver musikalischer Haltung“. Kategorien, die in den üblichen Castingformaten wie DSDS fehlen: eine Art Experten-Show-TÜV, der nicht die fünf Frauen und fünf Männer im Hinblick auf deren Modelhaftigkeit wog, sondern darauf, ob sie Gespür für Musik, für so etwas wie Echtheit und „Rock“ haben – und dazu fähig sind, so etwas wie Persönlichkeit zu zeigen.

Am Ende hatte es die Hälfte der Zehnerriege in die nächste Runde geschafft, vier Frauen, von denen eine, Lena, angehende Abiturientin aus dem Niedersächsischen, von allen – nicht für das Weiterkommen stimmberechtigten JurorInnen – mit heftigem Lob bedacht wurde. Man darf sagen: Die Idee Raabs verfing zum Auftakt glänzend. Was war, was ist der Plan?

Die ARD hat, als öffentlich-rechtlicher Sender Mitglied der europäischen Senderkette „European Broadcasting Union“, die deutschen Rechte für die Show Eurovision Song Contest – aber ein Publikumsprofil, das ehern Schlageralbernheiten vom Gusto Ralph Siegels begünstigt. Stefan Raab und sein Haussender Pro7 hingegen haben die Zuschauer, die moderne Unterhaltungsmusik und ihre Performances bevorzugen.

Nachdem die ARD in den vergangenen Jahren mit ihren Acts beim ESC mäßig bis mies abschnitt – Gracia, Roger Cicero, No Angels, Texas Lightning –, vereinbarte man eine Kooperation, die es bis dato nicht gab: Raab und die ARD veranstalten die Vorentscheidung gemeinsam. Auf Pro7 laufen die fünf Vorrunden sowie das Halbfinale, die ARD übertragt das Viertelfinale sowie das Finale (12. März). Und die Rechnung ging auf: 2,62 Millionen Menschen schauten sich den Vorentscheid an.

Gesucht wird seit Herbst vergangenen Jahres einE MusikerIn, der oder die Hunger hat, sich international zu beweisen – als eine „nationale Aufgabe“, wie Raab typisch halbironisch formulierte. KünstlerInnen, die allenfalls lokal bekannt sind, aber Potential für höhere Aufgaben mitbringen – ohne dass ESC-Format selbst zu diffamieren. Unterfüttert wird die Kooperation durch eine privat-öffentlich-rechtliche Doppelmoderation: Sabine Heinrich, Popstimme vom WDR, und Mathias Opdenhövel, Conférencier in Diensten von Privat-TVs, verkörpern die Allianz, an der sich die Popwellen der ARD-Radios ebenfalls beteiligen, etwa Fritz aus dem Berliner Raum oder NDR2 aus Hamburg.

Das Setting der Show erinnerte schließlich wirklich an Bühne samt Showtreppe. Die „Heavytones“ spielten live – ein Detail, das Halb- oder Ganzplaybackverfahren aushebelte. Wer bei „Unser Star für Oslo“ was werden will, muss wirklich mit einer Band entertainen können. Die Riege der ExpertInnen, die die Vorrunden nun begleiten werden, ist arriviert im Popbereich: Zunächst Catterfeld und Müller-Westernhagen, später Sarah Connor, Peter Maffay und Xavier Naidoo.

Welcher Sender welchen Gewinn aus dieser Kooperation zieht, ist offen. Raab, seit Jahrzehnten ein Fan des ESC und selbst drei Mal international im Einsatz (1998 als Produzent und Dirigent von Guildo Horn, 2000 als Performer, 2004 als Komponist und Texter von Max Mutzkes „Can't Wait Until Tonight“), mag das sportive Spiel mit Tönen und Tänzen um Punkte und Platzierungen ohnehin. Er hat nur, wie er schon im Herbst sagte, als Mann von Pro7 nicht die Erlaubnis, am ESC teilzunehmen. Seine Konkurrenzveranstaltung Bundesvision Song Contest war zwar gut beleumundet – der Kick des Internationalen als Popeuropameisterschaft fehlte ihr allerdings.

Ob die ARD mit dieser Kooperation sich als kredibler Sender für das jüngere Publikum profilieren kann, mag sein – sicher ist, dass am Ende des Unser-Star-für-Oslo-Formats ein Act Ende Mai in Oslo für Deutschland antreten wird, der unbedingt gut abschneiden will. Das wäre schon mehr als alles, was beim ESC unter deutschen Vorzeichen in den vergangenen fünf Jahren zu bestaunen war.

Diese Show, Casting ohne Dieter-Bohlen-Elend, aber mit Respekt vor musikalischem und performativen Talent, hat Zukunft. Kommenden Dienstag läuft die nächste Vorrunde.

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