Redaktions-Gemeinschaft startet: "Operation am offenen Herzen"

"Berliner Zeitung" und "Frankfurter Rundschau" marschieren nun bei Politik und Wirtschaft gemeinsam. Redakteure und Gewerkschafter befürchten journalistisches Chaos.

Bald könnte der Name DuMont über allem stehen: DuMont-Hauptquartier in Köln Bild: ap

BERLIN taz | Ab Montag ist ein neues Vehikel im deutschen Journalismus unterwegs, dass gleich in vier Zeitungsredaktionen für Magenschmerzen sorgt. Denn dann startet die DuMont Redaktionsgemeinschaft (ReGe), die anstelle der bislang getrennten Politik- und Wirtschaftsressorts von Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau weite Teile der täglichen Berichterstattung übernimmt. Auch der zum Kölner Konzern gehörende Kölner Stadtanzeiger sowie die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle/Saale dürfen sich aus dem Topf des 26-köpfigen Pools bedienen.

Gewerkschaften und der Redaktionsausschuss der Berliner Zeitung kritisierten am Freitag das Projekt, das bislang im deutschen Zeitungsmarkt einzigartig ist: Erstmals werden hier zwei Qualitätsblätter an zwei völlig unterschiedlichen Standorten mit unterschiedlichen Profilen in entscheidenden Bereichen zusammengeschweißt. "Das ist bedrohlich für die Identität der beteiligten Zeitungen", sagt Redaktionsausschussmitglied Daniel Haufler, zumal sich die ReGe-MitarbeiterInnen am Telefon nicht mehr als Berliner Zeitung oder Rundschau, sondern als "DuMont-Redaktion" melden sollen.

Der von einer eigenen Chefredaktion geleitete Pool nehme außerdem den einzelnen Redaktionen die autonome Entscheidung, "was man eigentlich konkret redaktionell macht". Der Redaktionsausschuss erwartet außerdem ein Abstimmungschaos zwischen den weiter bestehenden "Rumpfredaktionen" in Berlin und Frankfurt und dem zwischen beiden Städten aufgeteilten Pool: "Dieses Verfahren wird sicherlich nichts zur Qualitätsverbesserung beitragen", so Haufler.

Das ganze sei "eine Operation am offenen Herzen, bei der man nicht weiß, wie es ausgeht". Viele in der Redaktion fürchteten "weniger Journalismus und mehr Bürokratie". Man sperre sich nicht grundsätzlich gegen Kooperationen der verschiedenen Konzerntitel. Es bestünden aber große "Zweifel, ob die ReGe mit dem Redaktionsstatut der Berliner Zeitung vereinbar ist", sagt auch Redaktionsausschuss-Mitglied Frank.

Das Statut lege verbindlich fest, dass alle wesentlichen Entscheidungen bei der Berliner Zeitung "autonom in der Redaktionskonferenz oder von unserer Chefredaktion" getroffen würden. "Ob das noch gegeben ist", bleibe abzuwarten, so Nordhausen. Der Ausschuss habe aber den klaren Auftrag der Gesamtredaktion, zur Not gerichtlich prüfen zu lassen, ob ein Verstoß gegen das Redaktionsstatut vorliegt.

Vertreter der Journalistengewerkschaften DJV und Verdi bemängelten, dass es für die Redaktionsgemeinschaft bislang keinen Tarifvertrag gebe. In den laufenden Tarifverhandlungen fordern sie eine Garantie der Sollstärke der verbleibenden Rumpfredaktion der Berliner Zeitung, den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und ein Ende der Auslagerungen.

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DuMont habe darauf aber bisher mit einem "freundlichen, aber klaren Nein geantwortet", so die Gewerkschaftler. Vielmehr sei jetzt bekannt geworden, dass DuMont auch die einzelnen IT-Abteilungen der Blätter in einer konzernweiten Firme auslagern und voraussichtlich nach Köln verlegen wolle. Die Tarif-Verhandlungen sollen am 6. Mai fortgesetzt werden.

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