BND liest Emails mit: "Spiegel"-Reporterin im Visier

Pressefreiheit in Deutschland: Die "Spiegel"-Reporterin Susanne Koelbl wurde vom BND ausspioniert, ihre Mails mit einem afghanischen Politiker gelesen.

Der Lauscher an der Wand. Bild: dpa

Bei "Beckmann" hat Susanne Koelbl im November von einem Gespräch mit dem afghanischen Islamisten Noor Mohammed erzählt, auf dem eingeblendeten Foto sitzt die Spiegel-Reporterin einem weiß gekleideten alten Mann gegenüber. "Er predigt den Dschihad in Afghanistan", sagt sie über ihren Gastgeber, "er predigt seinen Schülern, sie sollen die Fremden aus Afghanistan vertreiben." Er sei also ein "radikaler Glaubenskrieger", erkundigt sich Beckmann. "Definitiv", entgegnet Koelbl, ohne zu zögern.

Ob sie Angst hat vor solchen Gesprächspartnern, hat Beckmann die 42-Jährige nicht gefragt. Die Antwort konnte er sich denken. Koelbl strahlte in der Sendung die Souveränität einer Frau aus, die gelernt hat, sich in einer islamischen Gesellschaft zu behaupten, und erinnerte darin an die ehemalige Irakgeisel Susanne Osthoff. Und noch eins machte Koelbls Auftreten klar: Angst haben muss nur, wer die Gefahren vor Ort nicht einzuschätzen weiß. "Auch ich reise - wenn es irgendwie geht - unter dem Schutz eines mächtigen Patrons", sagte die ledige, kinderlose Reporterin, die schon rund 40-mal am Hindukusch war und dort gut vernetzt ist.

Einer ihrer afghanischen Kontakte hat Koelbl nun ins Visier des BND gebracht. Von Juni bis November 2006 hat der deutsche Auslandsgeheimdienst den Mailwechsel zwischen Koelbl und einem afghanischen Politiker mitgelesen - ein Indiz dafür, dass der BND die illegale Überwachung von Journalisten nach dem Skandal von 2005 fortgesetzt hat. Präsident Ernst Uhrlau informierte Susanne Koelbl am Freitag über die Aktion und bat um Entschuldigung - wie sie darauf reagiert hat, weiß bislang allein Uhrlau. Koelbl ist derzeit für ihre Journalistenkollegen nicht zu sprechen. Aus dem Hause Spiegel hieß es gestern nur, man überlege noch, wie mit dem Fall umzugehen sei.

Auf politischer Ebene beschäftigte sich mit dieser Frage zur gleichen Zeit das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags. Der stellvertretende PKG-Vorsitzende Max Stadler (FDP) sagte: "Wir müssen Vorsorge dafür treffen, dass so etwas nicht wieder vorkommt." PKG-Mitglied Hans-Peter Uhl (CSU) schloss eine Ablösung Uhrlaus nicht aus. Grünen-Kollege Christian Ströbele wurde noch deutlicher: "In diesem Fall kommen wir ohne personelle Konsequenzen nicht aus."

Susanne Koelbl wird die Beratungen, die heute fortgesetzt werden, sicherlich aufmerksam verfolgen - genau wie die Entwicklung Afghanistans. Bei Beckmann bescheinigte sie dem Land, "das für uns von außen sehr chaotisch wirkt", eine "innere Ordnung". Der Fall Koelbl zeigt, dass es in Deutschland mitunter genau umgekehrt ist. DAVID DENK

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.