Protest gegen Sat.1 Umzug: Verliebt in Berlin

Die ProSiebenSat.1-Mitarbeiter protestieren gegen den möglichen Umzug von Sat.1 nach München. Die Berliner Landespolitik solidarisiert sich und verspricht Hilfe.

Miese Stimmung: Viele Mitarbeiter sind schon einmal für Sat.1 umgezogen. Bild: ap

Sie stehen dicht an dicht auf den Treppen des Konzerthauses am Berliner Gendarmenmarkt, und mangels anderen gemeinsamen Liedguts wird ein Stadionrefrain geschmettert: "Olé, olé, wir bleiben an der Spree!", rufen über 400 MitarbeiterInnen von ProSiebenSat.1 und schwenken ihre Aufblas-Heuschrecken.

Zwar hat sich Sat.1 spätestens mit "Verliebt in Berlin" die Stadt erschlossen und auch die nächste Imagekampagne soll mit Berliner Motiven werben. Doch schon am nächsten Donnerstag könnte im Konzernaufsichtsrat der Beschluss fallen, der den Umzug von Sat.1 zum Sitz der ProSiebenSat.1-AG nach München anordnet.

Dann wäre einer der ältesten deutschen Privatsender seine Unabhängigkeit endgültig los - und wohl auch jede Menge der heute noch rund 300 Arbeitsplätze: "Bei uns arbeiten über 50 Prozent Frauen, viele KollegInnen sind außerdem schon mal für Sat.1 umgezogen, als die Standorte in Mainz und Hamburg dichtgemacht wurden", sagt Betriebsrätin Cordula Bauermeister. Viele, sagt sie, würden wohl kaum nochmal den Umzug ins viel teurere München mitmachen - so dass es dem Konzern leichtfallen dürfte, bei dieser Gelegenheit Personal loszuwerden.

Trotz vieler bereits erfolgter Einschnitte soll die AG 2009 nochmal zusätzlich 100 Millionen Euro sparen. Denn die 2006 von den Finanzinvestoren KKR und Permira übernommene TV-Gruppe musste auf Geheiß der neuen Eigentümer überteuert ausländische Sender aufkaufen. Jetzt drücken 3,8 Milliarden Euro Schulden, das TV-Werbegeschäft in Deutschland lahmt, und KKR/Permira zieht weiter Kapital ab.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Sat.1-Belegschaft vor der einen Steinwurf vom Sendersitz entfernten Klassikkulisse zum Protest trifft. In den vergangenen Jahren hat Sat.1 schon über 200 MitarbeiterInnen verloren.

Neu ist jedoch, dass die Landespolitik aufgewacht ist: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärt sich schon um acht Uhr früh mit den Senderbeschäftigten solidarisch und geißelt die "sachfremde Rationalisierungspolitik", die insgesamt sogar 600 bis 700 Arbeitsverhältnisse am "Standort Berlin" bedrohe.

Und der Wirtschaftssenator kam sogar persönlich: Der Senat werde umgehend ein Standortsicherungskonzept vorschlagen, so Harald Wolf (Linke). Eckpunkte sollen Anfang der Woche vorliegen, "wir erwarten, dass sich der ProSiebenSat.1-Vorstand ernsthaft damit befasst". Dabei wird es auch um Landessubventionen gehen: "Wir werden das Unternehmen hier nicht vorzeitig aus der Bindung entlassen", sagte Wolf der taz. Genaue Zahlen nannte er nicht, doch es gehe "nicht um Peanuts".

Fragt sich nur, ob das in München noch jemanden schreckt: Schließlich war zum Zeitpunkt des Sat.1-Protests die letzte Gewinnwarnung von ProSiebenSat.1-Vorstandschef Guillaume de Posch ganze 24 Stunden alt: "Anhaltende Schwierigkeiten im deutschen Free-TV-Geschäft belasten drittes Quartal 2008", meldete ProSiebenSat.1 am Donnerstag.

Zudem ist de Posch, der zum Jahreswechsel geht, mehr als eine lame duck: Obwohl der Belgier schon im Juni das Handtuch warf, hat sich bisher kein Nachfolger für den Chefposten bei der größten deutschen Privat-TV-Gruppe gefunden.

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