RTL streitet mit Mediziner: Kein Rezept für versteckte Kamera

Da RTL verdeckte Recherchen in einer Praxis machte, erwirkte der Arzt eine einstweilige Verfügung. RTL spricht von "Verstoß gegen die Pressefreiheit".

Kann nicht ohne bewegte Bilder: Fernsehsender RTL. Bild: rtl

Was Michael Jackson auch nach seinem Tod noch alles so anrichtet, kann demnächst vor Gericht in Düsseldorf besichtigt werden: Dort treffen RTL und ein Allgemeinmediziner aus der NRW-Landeshauptstadt aufeinander. Der Arzt hat gegen RTL im Eilverfahren eine einstweilige Verfügung erwirkt, die es dem Sender verbietet, heimlich in seiner Praxis Ton- und Filmaufnahmen zu machen. RTL spricht dagegen von "Verstoß gegen die Pressefreiheit" und kündigt Widerspruch gegen die Verfügung an.

Was ist passiert? Das von Birgit Schrowange allerliebst moderierte, knallharte RTL-Verbrauchermagazin "Extra" rührte am 29. Juni mit in der Ursuppe zum Thema "Wer ist schuld an Michael Jacksons Tod?", behandelte dessen Medikamentenmissbrauch - und wollte zeigen, wie einfach man auch hierzulande an schwere Pharmahämmer kommt.

Dazu gab sich eine RTL-Reporterin mit versteckter Kamera in der Praxis des Mediziners als Patientin aus. Im Zusammenhang mit einem Jobwechsel müsse sie in Kürze eine lebenswichtige Präsentation machen und leide deswegen unter starker Nervosität. Der Arzt empfahl nach Darstellung seines Anwalts zunächst autogenes Training oder Baldrian, was von der "Patientin" abgelehnt wurde - und verschrieb ihr am Ende den Betablocker Lexotanil (Wirkstoff: Bromazepam) mit dem Hinweis, davon nur eine halbe Tablette vor der Präsentation einzunehmen und das Präparat danach sofort abzusetzen.

In "RTL Extra" lief das unter der Überschrift "Drogen am Arbeitsplatz" - gezeigt wurde auch der Arzt im Behandlungszimmer, wie heute üblich gepixelt.

Für den Zuschauer, argumentiert der Anwalt des Mediziners, sei das nur so zu verstehen, als würden hier "leichtfertig und ohne nähere Behandlung […] ohne jedwede Vorsichtsmaßnahme abhängig machende Psychopharmaka" verschrieben. So sei es ja auch gewesen, kontert RTL-Justiziar Hanno Panten: Das "RTL Extra"-Team habe getestet, ob sich auch bei deutschen Ärzten derartige Medikamente ganz einfach beschaffen ließen. Der Arzt habe "solche Medikamente unserer Redakteurin ohne gründliche Untersuchung verschrieben", sagt Panten, außerdem habe man die verdeckt gedrehten Szenen "umfänglich verfremdet". Offenbar nicht genug: Die Stimme des Mediziners war nämlich nicht verfremdet, ein anderer Patient erkannte prompt seinen Arzt, der sich die Wiederholung der Sendung dann selbst anschauen konnte.

Nun könnte man meinen, gerade Arztpraxen gehörten zu besonders zu schützenden Räumen, in denen heimliche Aufnahmen laut Strafgesetzbuch per se zunächst mal verboten sind. Doch hier sieht RTL nur eine "Schutzabsicht" des Gesetzes für die Patienten, nicht für den Onkel Doktor. Ob sich der Fall so gewinnen lässt? Zumal man fragen muss, warum heimliche Aufnahmen überhaupt nötig waren: Das Rezept für das verschreibungspflichtige Medikament hätte ja als Beleg genügt. Nein, sagt Panten, man sei schließlich Fernsehen, "und ohne Bilder können wir den Laden dichtmachen".

Genau das ist das Ärgerlichste an dem kruden Fall von Düsseldorf: dass das Instrument der verdeckten Recherche immer häufiger durch solche dämlichen Pseudoheldentaten für die Blockwart-Magazine der TV-Sender diskreditiert wird. Und sich da, wo es wirklich angebracht wäre - bei heiklen Recherchen zu politischen oder wirtschaftlichen Skandalen zum Beispiel -, immer weniger Sender etwas trauen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.