Schriften zu Zeitschriften: Was zieh ich bloß an?

"Spex" und "Liebling" präsentieren Bildstrecken mit einem kämpferischen Daniel Richter oder mit Sophie Rois und Andreas Spechtl. Das neue Modebewußtsein der Magazine.

Es gibt allen Grund zu der Annahme, dass langfristig nur zwei produktorientierte Kulturindustrien übrig bleiben werden. Kunst und Mode. Die Tonträger verschwinden. Sobald die Übertragungsgeschwindigkeiten und Speicherkapazitäten groß genug sind, wird die Filmindustrie in Schwierigkeiten kommen. Und mit dem "Kindle" wird demnächst das erste elektronische Buch mit Massenappeal auf den Markt kommen. Bleiben Kunst und Mode. Denn das Bedürfnis, kulturelle Distinktion auszustellen, wird bleiben. Und irgendwas muss man ja anziehen.

Die ersten sogenannten Modestrecken, die in Musikmagazinen auftauchten, waren Vorboten dieser Entwicklung. Im Grunde waren sie ja nichts anderes als Appelle an Klamottenfirmen, den Anzeigenplatz zu füllen, den die Musikindustrie nicht mehr füllen konnte. Und so sahen die Bilder dann meist auch aus: Irgendwelche Models, die man für umsonst bei einer Agentur ausgeliehen hatte, die ihrem Nachwuchs Routinen verschaffen wollte, trugen Baggyjeans durch die Gegend. Manchmal übte man sich auch in Antihaltung, und das ganze war so fotografiert, dass man die Mode gar nicht sah. Man blätterte beschämt weiter. Egal ob Spex, Groove, Partysan, Intro - keines dieser Hefte damals hatte genuines Interesse an oder auch nur den Hauch einer Ahnung von Mode. Die Modestrecken waren Fremdkörper, die Magazine hatten keine Sprache, dieses Zeichensystem zum Teil ihres Universums zu machen.

Das hat sich geändert. Zumindest im Fall der Spex. Zum einen haben die Macher einen äußerst eleganten Weg gefunden, die Modestrecken zum Teil der Hefterzählung zu machen. In der aktuellen Ausgabe zeigen die Fotos die Schauspielerin Sophie Rois und den Ja-Panik-Sänger Andreas Spechtl. Und abgesehen davon, dass die beiden eh bezaubernd zusammen aussehen, wird für all die, die neben dem Look auch noch eine Anmutung von Inhalt brauchen, über René-Pollesch-Zitate und Ja-Panik-Zeilen eine textliche Klammer hergestellt.

Daneben steht ein sechsseitiges Gespräch mit DJ Hell, der seit einiger Zeit Musik für Fashionshows produziert. Wer immer schon wissen wollte, wie sich die Modemacher-Hysterie, die im letzten Augenblick alles umnähen will, mit der millimetergenauen Präzision verträgt, die die Musik mit der Catwalk-Choreografie verbindet - hier bekommt man es erklärt. Und wer hätte gedacht, dass eine Party in Hugh Hefners Playboy Mansion nur aus Fototerminen besteht, und um halb zwölf vorbei ist?

Ganz anders Liebling. Spex versucht Fashion zum Teil seines Begriffs von Popkultur zu machen, für Liebling ist alles Mode. Von der Inflation über Daniel Richter bis zu Daniel Kehlmann. Ein Faltenwurf, der so schön wie vergänglich ist, man betrachtet ihn, und schon ist er wieder weg. Schon das Format von Liebling ist Metapher dieses Vorgehens: riesige, aufwendige Bilder auf Zeitungspapier, Ewigkeit im Wegwerfverfahren. Die Welt in Mode zu verwandeln ist aber nur die eine Hälfte, die eigentliche Mode ist Liebling ein Thema, das es zu erzählen gilt. Sei es über die Präsentation verschiedener Frauen- und Männerkollektionen oder über Porträts des vergessenen Fotografen Herbert Tobias.

Die ewigen Klaus-Lemke-Geschichten reichen allerdings langsam. Auch Liebling mag nicht auf den Münchner Undergroundregisseur verzichten: Ja, der Typ ist eine coole Sau. Wir haben verstanden. Aber wenn es in Deutschland niemand anders gibt, um ein 68 ohne 68er abzubilden, sollte man den Versuch langsam einstellen.

So unterschiedlich ihre Wege zur Mode sind: Eines machen weder Liebling noch Spex: sich um die dritte Säule zu kümmern, auf der die Kulturindustrie nach dem Ende von Platte, Film und Buch ruhen wird - der Kochkunst (auch wenn Spex-Chefredakteur Max Dax der Ruf vorauseilt, ein hervorragender Koch zu sein). Essen ist neben Anziehsachen und sozialer Distinktion das dritte Feld, das sich nicht digitalisieren lassen wird, dürfte also langfristig eine deutliche Aufwertung erfahren. Die zahllosen Kochsendungen im Fernsehen, die boomenden Kochbuch-Industrie und das Starkochsystem deuten das ja bereits an.

Die Welt ändert sich. "Kochen, Kunst, Klamotten" als Zukunft von "Filme, Bücher, Platten". Das muss die von konservativer Seite schon so oft beschworene Machtübernahme des Kulturmatriarchats sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.