Beatles-Tonspuren kursieren im Internet: Bekifftes Gekicher und Weckerklingeln

Vierzig Jahre nach Erscheinen von "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" sind die Original-Tracks aus den Abbey-Road-Studios ins Internet gelangt. Wie das?

1967 noch ein Mysterium auf vier Spuren: das Beatles-Album Sgt. Pepper. Bild: dpa

Das Medien-Echo war groß, als im letzten Jahr erstmals autorisierte Remixe von Beatles-Aufnahmen auf den Markt kamen. Für das in Las Vegas aufgeführte Beatles-Musical "Love" des kanadischen Cirque du Soleil hatte Giles Martin, Sohn des mittlerweile zum Ritter geschlagenen Beatles-Produzenten George Martin, rund zwei Dutzend Songs aus dem Werk der Band zu einem kreativen "Smash-Up" remixed. Sehr zum Missfallen puristischer Fans, denen der allzu freie Umgang mit dem musikalischen Erbe der Fab Four zu weit ging.

Jetzt kann sich jeder Beatles-Fan am heimischen Computer seinen eigenen Mix machen: Seit einer Woche kursieren in einigen illegalen Internet-Tauschbörsen die originalen Multi-Tracks einiger Songs des Albums-Klassikers "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band".

Die Nachricht sorgt für Überraschung, da bekannt ist, dass die EMI - Eigentümerin sämtlicher Mastertapes der Beatles - diese wie einen Gral hütet. So wurde noch vor kurzem den Autoren des Buches "Recording The Beatles", einem Standardwerk über die Aufnahmetechniken der Abbey-Road-Studios, der Zugang zu den Originalbändern verweigert - aus Furcht vor heimlichen Kopien. Noch ist unklar, wie die "Sgt. Pepper"-Aufnahmen trotz der rigiden Vorsichtsmaßnahmen ins Internet gelangen konnten. Doch ihre weltweite Verbreitung wird sich wohl nicht mehr aufhalten lassen. Zur Freude von Fans, Musikhistorikern und Musikern: Denn nun lässt sich erstmals minutiös nachvollziehen, wie die Beatles in der ersten Hälfte des Jahres 1967 jene Platte aufnahmen, die bis heute als ihr innovatives Werk gilt.

Nachdem sie im Jahr zuvor beschlossen hatten, nicht mehr live aufzutreten, konnten sie sich ganz auf die Arbeit im Studio konzentrieren und ließen ihrer Kreativität freien Lauf. Sei es die freie Improvisation eines 40-köpfigen Sinfonieorchesters oder eine Collage aus Tierlauten - George Martin und seine Tontechniker-Crew fanden Mittel und Wege, diese Ideen umzusetzen. Und das, obwohl die Abbey-Road-Studios zu dieser Zeit nur über 4-Spur-Bandmaschinen verfügte, wodurch die technischen Möglichkeiten im Vergleich zu heute erheblich einschränkt waren. Zum Vergleich: Heute sind 64 Aufnahmespuren die Regel, oftmals wird sogar mit noch mehr gearbeitet.

Die so entstandenen Aufnahmen liegen jetzt in ihren vier Einzelspuren vor - was dem Hörer neue Einblicke in den Entstehungsprozess ermöglicht. Zum Beispiel "A Day In The Life", das grandiose Finale des Albums: Spur Eins präsentiert die ursprüngliche Version des Songs, so wie die Beatles ihn am 19. Januar 1967 live im Studio einspielten: noch ohne Orchester im Mittelteil, dafür mit einem wild-dissonanten Klavierspiel von Paul McCartney. Auf Spur zwei hört man den bekifften, mit extremen Echo unterlegten Gesang John Lennons, nebst allerlei Gekicher und Gejohle. An der Stelle, wo auf Spur vier das monumentale Orchester einsetzt, hört man auf Spur drei nur den Road-Manager der Beatles, Mal Evans, lauthals 24 Takte abzählen, bevor er einsam einen Wecker klingeln lässt.

Erst wenn man alle vier Spuren synchron abspielt, ergibt das Gesamtbild, wie man es von Platte kennt. Wer will, kann sich jetzt auch das kitschig-schöne Streicher-Arrangement von "She's Leaving Home" separat ohne Stimmen anhören - um festzustellen, das einige Details der eigentlichen Partitur später getilgt wurden. Oder sich davon überraschen lassen, wie der Titelsong "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" ursprünglich in einem Feedback-Jam endete, bevor er mit "With A Little Help From My Friends" zu einem Medley zusammenschnitten wurde.

Alles was man braucht, um sich einmal an die Stelle von George Martin ans (virtuelle) Mischpult zu setzen und die Regler nach eigener Lust und Laune zu bewegen, ist eine entsprechende Musiksoftware (wie zum Beispiel Cool Edit), die man legal und kostenlos im Netz herunterladen kann. Die Idee ist so gut, dass man sich fragt, warum EMI und Apple Corps, die das Beatles-Erbe verwalten, noch nicht selbst darauf gekommen sind.

Aber vermutlich wird sich das bald ändern. Denn vor kurzem hat Jeff Jones den Vorsitz von Apple Corps übernommen - ein Mann, der bislang den Backkatalog von Sony/BMG betreut hat und dessen historisch-kritische Werkausgaben von Künstlern wie Miles Davis, Johnny Cash und Bob Dylan von der Kritik gefeiert wurden.

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