Thailändischer Regisseur über das Weltkino: "Ich war überall ein Außenseiter"

Der Regisseur Additya Assarat, in Thailand und Amerika zu Hause, über seinen Film "Hi-So", neue Nomaden und den Geschmack der Massen (Forum).

Regisseur Additya Assarat mag Filme, die die meisten mögen. Bild: berlinale

taz: Herr Assarat, ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Film. "Hi-So" glänzt mit wunderschönen Bildern und Ihre Schauspieler sind eine Augenweide.

Additya Assarat: Danke.

Am schönsten ist Cerise Leang, die Zoe spielt, eine junge Frau, die ihrem vielbeschäftigten Freund nach Thailand nachreist und kaum aus ihrem Hotel rauskommt.

Ja, sie ist perfekt. Wir konnten nicht viel bezahlen und brauchten eine amerikanische Schauspielerin, die bereit war, auf unsere Kosten in Thailand drei Monate Urlaub zu machen. Sie war eines dieser Models, die gerade die Uni abgeschlossen haben und herumreisen, die nicht wirklich wissen, was sie mit sich anfangen sollen und immer leicht gelangweilt wirken. Ich habe sie mal in einem Werbeclip eingesetzt. Für "Hi-So" war sie wirklich perfekt.

Der thailändische Filmemacher Additya Assarat hatte kaum sein Filmstudium in den USA abgeschlossen, und schon liefen seine ersten Kurzfilme erfolgreich auf internationalen Filmfestivals. Wie bereits sein preisgekrönter erster Spielfilm "Wonderful Town" handelt auch sein zweiter, "Hi-So" (Forum), von jungen, gebildeten und weltmännischen Thailändern, die nicht mehr so recht zu begreifen scheinen, was in ihrem eigenen Land vor sich geht.

Sie sieht asiatisch aus. Gibt es einen versteckten Hinweis im Film, aus welchen Ländern ihre Eltern und Großeltern kamen?

Nein, es gab absichtlich keinen Hinweis. Aber die Großeltern von Cerise Leang kamen tatsächlich aus China, Portugal und Frankreich.

Womit wir beim Thema wären. "Hi-So" handelt von einer neuen Sorte Mensch. Es geht um die Generation Facebook, um neue Nomaden, um junge Leute, die keine nationalen oder kulturellen Grenzen mehr kennen.

Das ist es! Am schlimmsten ist Ananda, meine Hauptfigur, der lange in Amerika gelebt hat und nun in Thailand einen Film dreht. Er redet fließend Englisch mit dir, dreht sich um und spricht mit einer anderen Person fließend Thailändisch. Er ist wie ich! Das ist mein Leben. Ich komme aus Thailand, aber meine Mutter war Amerikanerin. Ich bin auf internationale Schulen gegangen. In Thailand war ich der Amerikaner und später, als ich in den USA Film studierte, war ich der Thailänder. Ich war überall ein Außenseiter. Ich habe nirgends hineingepasst. Heute passe ich in eine internationale Kultur von Leuten, die sich über Bildung und Geschmack einander zugehörig fühlen.

Haben Sie "Up in the Air" mit George Clooney gesehen?

Ein guter Film!

In diesem Film geht um das Leben auf Flughäfen und in Hotels, die immer gleich aussehen.

Das Lustige, nein, das Traurige daran ist, dass ich mich in diesen Hotels wohlfühle. Sehen Sie: Ich habe wahrscheinlich mehr mit Ihnen gemein als mit den meisten Leuten, die zehn Minuten von meinem Haus entfernt leben. In Thailand gibt es so große Unterschiede zwischen Arm und Reich, zwischen Leuten, die Englisch können, und Leuten, die es nicht können, und so weiter.

Es gibt eine kleine, lustige Szene in Ihrem Film, als Ananda am Filmset das Wort "Christmas" ausspricht, wie man es eben ausspricht, aber dann korrigiert wird. Er soll es aussprechen, wie man es in Thailand ausspricht, nämlich "Chrismat".

Solche Dinge sind mir nach meiner Rückkehr nach Thailand andauernd passiert. Das kenne ich gut.

Ananda wirkt in dieser Szene undurchdringlich.

Er ist bestürzt und belustigt.

Ist dieses Leben zwischen den Welten gut oder schlecht? Macht es glücklich oder unglücklich?

Gute Frage. Ich glaube, wir sind glücklich. Früher machte es uns einsamer, heute macht es uns zu einem Teil der Welt. Es gibt so viele Leute wie mich! Und sie werden immer mehr! Die Welt verändert sich sehr schnell.

Andererseits gibt es ziemlich viele Ruinen in Ihren Filmen. Hi-So spielt in Ruinen, auch Ihr erster Film "Wonderful Town" spielte in Ruinen. Das hat nicht nur mit dem Tsunami zu tun, oder?

Ich mag Ruinen, ich finde sie sehr schön. Die Ruinen spiegeln die Gemütslagen meiner Helden. Wir haben den Kontakt zur Geschichte Thailands verloren. Die Vergangenheit ist zerstört. Ananda ist sehr vergesslich, und auch ich kann mich sehr schlecht an meine Kindheit erinnern. Unser kollektives Gedächtnis ist verloren gegangen. In dieser Beziehung sind wir also vielleicht immer noch sehr allein.

Für wen machen Sie Ihre Filme?

Ehrlich gesagt für mich selbst. Das liegt an meinem Werdegang, daran, wie ich begonnen habe, Filme zu machen, also auf eigene Faust. Ich hatte wahrscheinlich Glück. Mein Geschmack ist ganz normal. Ich mag die Filme, die die meisten mögen, und wollte auch solche Filme machen. Ich habe den Geschmack getroffen.

Ihre Filme werden auf Filmfestivals in aller Welt mit Lob überhäuft. Wie kommen Sie in Thailand an?

Mein erster Film lief dort nur in ein, zwei Kinos. Wahrscheinlich fanden die meisten ihn langweilig. In Thailand hat man nur zwei Möglichkeiten. Entweder man macht Kino für die Massen oder man macht Weltkino.

Sie sprechen vom Weltkino von Regisseuren wie Apichatpong Weerasethakul in Thailand oder Jia Zhang-ke in China?

Ja, es sind alles in allem nur wenige Regisseure. In Thailand sind wir vielleicht nur fünf. Es ist sehr schwer, diesen Weg einzuschlagen. Wir sind auf öffentliche Gelder aus allen möglichen europäischen Ländern angewiesen. Aber es gibt Hoffnung. In diesem Jahr gab es Thailand zum allerersten Mal in der thailändischen Geschichte eine staatliche Filmförderung.

Wie würden Sie dieses Weltkino beschreiben?

Das Weltkino folgt seinen eigenen Regeln. Wenn man auf der Berlinale laufen will, muss man eine bestimmte Art von Kino machen. Das ist eigentlich ebenso restriktiv, als würde man einen Actionfilm für eine Million Zuschauer drehen.

Was sind diese Regeln?

Weltkino muss seltsam sein, ein bisschen exotisch. Im Moment würde ich auch sagen: wenig Dialoge. Sehr langsam.

Wollen Sie sagen, dass Sie den Erfolg Ihres Filmes auf den Festivals kalkuliert haben?

Natürlich nicht. Ich habe nur einen Film gemacht, wie ich ihn selbst gern sehen würde. Wahrscheinlich ist er den Filmen, die ich mag, sehr ähnlich.

Die Gefahr, in Klischees abzurutschen, ist groß.

Ja, ich bekenne mich schuldig. Es wird Zeit, das Weltkino neu zu erfinden. Es braucht eine Art Quentin Tarantino des Weltkinos, der alles auf den Kopf stellt und mit den Genres spielt.

Werden Sie das sein?

Ich bin selbstbewusster geworden. Keiner will einfach auf seinem Sofa sitzen bleiben.

"Hi-So": 19. 2., 13.45 CineStar.

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