Kirchentagsband Wise Guys: Flauschig falsch

Das offizielle Kirchentagslied der Wise Guys verkörpert alle negativen Klischees des 2. Ökumenischen Kirchentages: kitschig, gruselig, inhaltsleer. Ein Abgesang.

"Glaubt weiter fest daran, dass Vieles sich zum Guten wenden kann." Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Der Mottosong der Wise Guys ist für die Kirchentagsbesucher das, was für Frauen in den Wechseljahren aufmunternde Postkartensprüche sind. Der Unterschied ist, dass man von kitschigen Postkarten keinen brutalen Ohrwurm bekommen kann.

In wohliger Inhaltsarmut erfüllen die Wise Guys jedes Klischee, das Kritiker mit der Kirche verbinden – eine Melange aus süßlicher Beschwerlichkeit und bitterem Betroffenheitskult. Und das, obwohl einer von ihnen, Edzard „Eddi“ Hüneke, sogar mal ein Studium der evangelischen Theologie auf Pfarramt begonnen hat. Viel, man möchte es bedauern, scheint davon nicht hängen geblieben zu sein.

Und jetzt zu den Einzelheiten:

Feiert, lacht und singt, damit ihr Hoffnung habt

und dass die Sonne scheint für jeden, der im Dunkeln tappt.

Tapp tapp tapp, es schleicht sich an uns heran. Wie ein ungebetener Gast beißt sich das Gut- und Gewissmenschenlied bei allen fest, die in diesen Tagen durch die Münchener Messehallen laufen. Zuerst wird im treudoofen Öko-Jargon gegen die bösen Politiker gewettert – die dann auf dem Kirchentag absolut mittellkritisch mit Applauskulissen empfangen und beinahe wundgekuschelt wurden.

Die Hoffnung bleibt, dass „die da oben“ mal begreifen,

dass ihnen diese Erde nicht gehört.

Die Hoffnung bleibt, dass die Wirtschaft mal kapiert,

dass sie nicht wachsen kann, wenn sie die Welt zerstört.

Mit blühend, nicht einmal besonders ergreifendem Pathos geht es weiter. Mit konsequenter Nach-Regen-kommt-Sonnenschein-Logik krähen die fünf großen Jungs für das Gute in der Welt. Mindestens:

Auch wenn die Welt verrückt spielt:

Glaubt weiter fest daran, dass Vieles sich zum Guten wenden kann.

Natürlich wird auch die enttäuschte, kritische Basis des Kirchenvolks bedient. Schließlich sind in Zeiten des Missbrauchs die empfindlichen Seelen der Gläubigen froh, wenn sich jemand mit ihnen solidarisiert. Kirchenpop von unten.

Die Hoffnung bleibt, dass mancher Amts- und Würdenträger

eines Tages seine Eitelkeit vergisst.

Bis hierher, nämlich bis zur Bridge nach den beiden Strophen, hat das ganze Lied eigentlich nichts mit der Kirche zu tun. Über „die da oben“ zu motzen und auf Sonne zu hoffen, ist noch lange nicht religiös oder kirchlich. Die einzige Zeile, die sich auf Kirche bezieht, geht radikal am Gedanken des Ökumenischen Kirchentags vorbei:

Die Hoffnung bleibt, dass „evangelisch“ und „katholisch“

irgendwann kein Unterschied mehr ist.

Hoppla, möchte man ausschnaufend rufen: Es mag zwar sein, das einzelne Stimmen sich tatsächlich eine völlige Gleichmachung der beiden Konfessionen wünschen. Die Organisatoren des Kirchentages aber betonen ebenso wie die meisten Teilnehmenden: Ökumene heißt gerade nicht, dass einfach alle Unterschiede zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche übergangen oder platt gemacht werden. Stattdessen sollen verbindende Elemente gefunden werden, die trotz verschiedener Ansichten vereinen.

Aber das ist nun mal das Wesen von PR-Schlampen: Sie brauchen von dem Produkt, das sie bewerben, eigentlich keine Ahnung zu haben. Gott sei Dank gilt für Werbematerial aber auch: Wenn die Werbeaktion vorbei ist, landet es mit eher starker Wahrscheinlichkeit im Spam. Traurig, doch sehr wahr: ein guter Schlager ist das nicht – und ein Evergreen geht anders.

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