Christlich-Muslimischer Dialog: Mission, Zwangsheirat und Krieg

Auch der Kirchentag zeigt: Der christlich-muslimische Dialog ist eine elitäre Angelegenheit. Vorurteile und Ängste an der Basis werden damit nicht aus dem Weg geräumt.

Im Publikum auf den Kirchentagsveranstaltungen bestehen viele Ängste und Vorurteile in Bezug auf den Islam. Bild: ap

MÜNCHEN taz | Auch dem evangelischen Landesbischof in Bayern wurde bereits vorgeworfen, er werde doch bestimmt „vom Islam“ bezahlt. „Ich habe noch nie in meinem Leben so viele böse Briefe bekommen, wie als ich gesagt habe, dass wir repräsentative Moscheen brauchen und einen islamischen Religionsunterricht“, sagt Johannes Friedrich. Drohungen hätten darin gestanden oder Sätze wie der, dass er in der Hölle schmoren werde.

Friedrich ist einer der wenigen hohen christlichen Vertreter auf dem Kirchentag, die von sich aus das Thema Islamfeindlichkeit ansprechen. Es gebe in Deutschland eine zunehmende Gruppe von Menschen, die dem Islam abspreche, überhaupt eine Religion zu sein, sondern ihn als „faschistische Ideologie“ bezeichne. „Wir Christen haben hier die Pflicht zur Solidarität. Denn eine solche Herabsetzung bleibt nicht folgenlos. Aus Worten werden irgendwann Taten. Und da müssen wir hier auch mal den Anfängen wehren“, sagt Friedrich. Und fügt hinzu: „Da könnten Sie jetzt eigentlich mal klatschen, dachte ich.“ Viele kommen seinem Wunsch lachend nach.

Wer bei einer der etwa 30 Veranstaltungen zu christlich-islamischen Themen auf dem Kirchentag auf dem Podium sitzt, hat in der Regel mehrjährige Erfahrung im interreligiösen Dialog. Ein Fazit der teilweise schon seit 30 Jahren bestehenden christlich-islamischen Dialoggremien macht deutlich, dass die Teilnehmer unglaublich viel lernen, an der Basis aber recht wenig ankommt. „Es ist schwierig, die Erfahrungen aus dem Dialog in den eigenen Gemeinden zu vermitteln, bei den Menschen, die Sorgen und Ängste haben“, sagt Pfarrerin Annette Mehlhorn.

Dass auch im Publikum viele Ängste und Vorurteile in Bezug auf den Islam bestehen, zeigen die vielen Fragen, die auf kleine Zettel geschrieben und von den „Anwälten des Publikums“ gebündelt vorgebracht werden. Auch wenn es um das Thema Mission geht, möchten Besucher etwas zu Zwangsheirat oder Kriegen im Mittelalter wissen. Bei einer Veranstaltung zum christlich-muslimischen Dialog in Deutschland, bezieht sich fast ein Drittel der Publikumsfragen auf die Zustände in anderen Ländern. Landesbischof Friedrich sagt: „Es kann nie Raum greifen, dass weil Christen in Saudi-Arabien nicht die vollen Rechte genießen, wir hier die Religionsfreiheit einschränken sollten.“ Diese Aussage erntet heftigen Applaus.

Auch als die Frankfurter Islamwissenschaftlerin und kopftuchtragende Muslimin Ayse Basol-Gürdal im Hinblick auf die Publikumsfragen sagt, ihre eigene theologische Haltung sei natürlich vergleichsweise uninteressant, wenig provozierend und finde daher wenig Gehör, ist die Zustimmung groß. „Vorurteile sind nicht unbedingt etwas schlechtes. Aber die Bereitschaft, offen dafür zu sein, dass es auch etwas anderes geben kann, ist die Aufgabe von uns allen“, sagt Basol-Gürdal.

Bei einer Rede zum Thema Mission von Hosseini Ghaemmaghami, dem Vorsitzenden des Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands, zeigen einige im Publikum diese Bereitschaft nicht. Ghaemmaghami sagt darin Sätze wie: „Ein Glaubensakt kann nur das Ergebnis einer absoluten Wahlfreiheit sein.“ Und belegt alle seine Aussagen mit Koranzitaten. Doch etliche Fragen der Zuschauer zielen anschließend darauf ab, dass er sicherlich keine mehrheitsfähige Haltung vertrete. „Viele Teilnehmer im Raum haben ein anderes Bild vom Islam“, fassen die Anwälte des Publikums zusammen. Als Ghaemmaghami sagt, die Stimmen der vernunftbedingten Interpretation seien eben nicht immer so laut zu hören wie die anderen, gibt es wieder lauten Beifall.

Bei der Veranstaltung zum Thema Mission in Christentum und Islam möchte der Moderator nach all den islambezogenen Fragen noch erfahren, was das Publikum zum Christentum wissen wollte. Doch die Anwälte des Publikums müssen passen: „Zur christlichen Mission kam keine Frage.“

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