Muslimische Facebook-Kopie: Das Kopftuch-Netzwerk

Selbst für Facebook klingt das erschreckend: 2,5 Millionen muslimische Nutzer sollen am Mittwoch aus Protest gegen Zensur austreten. Das ist unrealistisch, doch die Wut ist groß.

Protest gegen die Mohammed-Karikaturen: Religiöse Muslime fordern auch im Internet streng gläubigen Raum ein. Bild: dpa

BERLIN taz | Es muss brodeln in einigen muslimischen Facebook-Nutzern. Respekt vor der Religion, entschlossen der Blasphemie entgegentreten. Grundregeln, die nach ihrer Ansicht in den letzten Monaten mehrfach in der medialen Welt mit Füßen getreten wurden. Flutartig werden im Sozialen Netzwerk Facebook Protestgruppen und Kommentare verbreitet – mit dem Ziel eine große Boykottbewegung anzustiften. 2,5 Millionen Muslime sollen geschlossen am Mittwoch das Netzwerk verlassen und in die muslimische Alternative Madina.com wechseln .

Grund für den Boykottaufruf ist die Sperrung von vier überaus populären Gruppen auf Facebook am 8 Juli, die zusammen auf 2,5 Millionen MItglieder und Fans kamen. In den Gruppen wurden Prophet Mohammed, Koran und Ramadan thematisiert.

Nach dem Aus schrieben sie einen offenen Brief an den Facebook-Gründer Zuckerberg, in dem sie Facebook vorwerfen, „großen Hass und Feindschaft zwischen Facebook und der muslimischen Welt“ verursacht zu haben. Weiter heißt es, man fordere die sofortige Wiederherstellung der gesperrten Seiten und eine Änderung der Nutzungsbedingungen von Facebook, damit jegliches respektlose Verhalten gegenüber der muslimischen Religion verboten wird. Geschieht das nicht bis zum 21. Juli, wird man geschlossen Facebook boykottieren.

Am Freitag äußerte sich ein Sprecher von Facebook erstmals dazu und sagte, dass die gelöschten Seiten einen schädlichen Java Script Code verbreitet hätten und somit gegen die Nutzungsbedingungen verstießen. „Die Seiten wurden nicht aus inhaltlichen Gründen gelöscht“, betont er gegenüber der Malaysia Sun.

Ob aber ein komplettes Löschen der Seiten notwendig war, ist umstritten. Die Protestler gehen weiterhin von einer inhaltlichen Zensur aus. Sie fühlen sich doppelt unfair behandelt, da Facebook im April bei der Aktion “Everybody Draw Mohammed Day” untätig blieb. Damals wurde die Zensur – zumindest in Pakistan – von staatlicher Seite übernommen.

Zur selben Zeit wurde die in Kannada beheimatete Plattform Madina gegründet, benannt nach der zweit heiligsten Stadt der Muslime in Saudi-Arabien. „Madina hilft dich zu vernetzen und halal (übersetzt: das Gute oder das Legale) mit den Leuten in deinem Leben zu teilen.“ Madina wird auch in den weit verbreiteten Protestbriefen als das religiösere und islam-freundliche Facebook genannt.

Die Seite präsentiert sich als optischer Abklatsch von Facebook. Einziger Unterschied auf der Startseite: Weibliche Nutzer tragen Kopftuch. In welche Richtung die Alternative gehen soll, wird bei einem Blick in die AGBs offensichtlich, die erst am 19. Juli geändert und stark gekürzt wurden: Frauen sollten kein Profilfoto von sich hochladen, Geschlechtertrennung wird garantiert und respektlose Kritik am Islam ist verboten.

Madina ist nicht der erste Versuch, die islamische Gemeinschaft von Facebook abzuspalten. Millatfacebook, ebenfalls in der Empörung über die Mohammed-Karikaturen entstanden, konnte in den ersten Tagen zahlreiche Nutzer von Facebook abwerben. Versank aber nach wenigen Wochen wieder im Schatten des amerikanischen Netzwerks. Facebook hat mittlerweile eine halbe Milliarde Nutzer – der Vorteil all seine Freunde auf einer Plattform versammelt zu haben, wird es auch Madina fast unmöglich machen, sich zu etablieren.

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