Ortsbasiertes Netzwerk Foursquare: Der nächste große Hype

Der ortsbasierte Dienst Foursquare wächst – trotz umstrittenem Konzept. Rabatte und Spieltrieb sollen für das freiwillige Bekanntgeben des Aufenthaltsortes sorgen.

Mit 100 Millionen Dollar bewerten Investoren die US-Firma Foursquare seit Ende vergangener Woche. Bild: screenshot foursquare.com

Nach dem Wirbel um Facebook und Twitter wendet sich das Netz einem neuen Hype zu: Ortsbasierten Diensten, bei denen die Nutzer per "Check-in" der Welt (oder auch nur ihren Freunden) via Handy den aktuellen Standort durchgeben. Dann kann man sich ja vielleicht treffen, ist die Idee – und ein bisschen angeben möglicherweise auch. Der bekannteste Dienst unter den "Geolocation"-Firmen nennt sich Foursquare – und er reitet aktuell auf einer Welle des weltweiten Nutzerwachstums. Und nun gibt es erstmals auch richtig Geld für den Dienst: Mit 100 Millionen Dollar bewerten Investoren die US-Firma seit Ende letzter Woche.

Auf Basis dieser Schätzung werden insgesamt 20 Millionen Dollar in Foursquare gesteckt. Das Geld kommt von früheren Investoren wie Union Square Ventures, O'Reilly Alphatech sowie vom neuen Finanzier Andreessen Horowitz (AH). Foursquare hat sich damit bekannte US-Risikokapitalfirmen angelacht: Union Square gehört zu den prominentesten Geldgebern von Twitter, während bei AH der Internet-Pionier Marc Andreessen zu den Namensgebern zählt, der den Browser Mosaic erfand und später den frühen Web-Riesen Netscape gründete.

Das zweistellige Millionen-Investment ist für Foursquare eine große Sache: Die 30-Mann-Firma hatte zuvor nur 1,35 Millionen Dollar Startkapital eingeworben. Firmenchef Dennis Crowley kennt sich indes mit dem Web-Geschäft aus: Bereits 2005 verkaufte er sein erstes Start-up Dodgeball, das von der Grundidee her Foursquare erstaunlich ähnlich war, an den Internet-Riesen Google.

Foursquare kombiniert den einfachen "Check-in"-Service mit einem Spiel: Wer besonders häufig an einem Ort ist oder diesen beispielsweise mehrere Tage hintereinander betritt, bekommt einen so genannten "Badge". Diese virtuelle Auszeichnung ("Bürgermeister" gilt als höchste) sehen dann wiederum die Freunde oder auf Wunsch der Rest der Welt. Dieses spielerische Element soll die User möglichst lange bei Foursquare halten.

Privatsphärenschützer sehen solche ortsbasierten Dienste naturgemäß kritisch. "Wer eine solche Anwendung nutzt, ist schlecht beraten", meint beispielsweise der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert. Die Nutzer könnten die möglichen Konsequenzen für ihre Privatsphäre nicht ansatzweise nachvollziehen und das "Spiel" schnell ernst werden. "So etwas kann durchaus eine Dummheit sein." So zeigte etwa die niederländische Aktivisten-Website "Please Rob Me" bis vor kurzem, wie man aus Foursquare-Daten Einbrechern das Leben leichter machen kann.

Und dann wäre da noch die Angreifbarkeit von Foursquare selbst. So demonstrierte Ende Juni ein Hacker, wie sich aus simplen Profilbildern eigentlich auf "unsichtbar" geschaltete Nutzer des Dienstes identifizieren lassen. 875.000 "Check-Ins" sammelte der Programmierer Jesper Andersen in San Francisco über drei Wochen durch diese Lücke – und damit für Unbefugte durchaus interessante Bewegungsprofile. Zwar gibt es eine Möglichkeit, die Lücke mit einem simplen Mausklick zu schließen – allerdings hatte Foursquare wie so viele andere US-Dienste auch standardmäßig eher offene Privatsphäreneinstellungen gewählt. Nutzer müssen also ähnlich wie bei Facebook ganz genau hinsehen.

Noch ist unklar, wie Foursquare genau Geld verdienen will. Mit den 20 Millionen Dollar Risikokapital ist nun erst einmal ein Puffer geschaffen – auch Vorbilder wie Twitter leben derzeit vor allem von Investorenmitteln. Die Möglichkeiten, Online-Geschäft mit Offline-Werbung zu verknüpfen, sind aber groß: So gibt es bereits jetzt Kooperationen mit einzelnen Unternehmen, die Menschen, die besonders oft bei ihnen "einchecken", Rabatte offerieren.

Auch ist denkbar, dass Foursquare-User nach einem "Check-in" auf Sonderaktionen in der Nähe aufmerksam gemacht werden. Und dann wäre da noch die Möglichkeit, mit den anfallenden Ortsstatistiken zu verdienen. Schon jetzt zahlen Unternehmen gutes Geld für anonymisierte Daten, wie sich Menschen in Städten bewegen, um beispielsweise besonders gut geeignete Orte für die Einrichtung von Shopping-Centern zu finden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.