Open-Source-Aktivist über freie Lizenzen: "Es gibt klare Regeln"

Harald Welte ist Programmierer und setzt sich für freie Lizenzen ein. Im Interview erklärt er den Sinn einer Copyleft-Lizenz und warum es sich lohnt, gegen Lizenzbrecher juristisch anzukämpfen.

Im Namen der Freiheit: Software-Lizenzen im Netz. Bild: Dot.ti / photocase.com

taz.de: Herr Welte, freie Software ist enorm beliebt, weil sie von Firmen und Nutzern kostenlos verwendet werden kann. Zudem lässt sie sich jederzeit erweitern. Viele Programme sind aber an spezielle Lizenzen gebunden, die etwa dafür sorgen, dass die Software auch frei bleibt. Warum ist das notwendig?

Harald Welte: Das "frei" in der Bezeichnung "freie Software" bezieht sich auf Freiheiten, die dem Anwender daraus erwachsen - und nicht primär auf eine Kostenfreiheit. Dies bezieht sich beispielsweise auf die Freiheit, die Software zu benutzen, an Dritte weiterzugeben, aber auch sie zu verändern oder weiterzuentwickeln.

Nach dem Urheberrecht liegen alle diese Rechte immer zunächst beim Autor eines Programms. Damit Anwender überhaupt irgendwelche Rechte an dem Programm haben, muss der Autor ihnen Rechte einräumen. Dies geschieht in der Regel durch eine Lizenz, egal ob es sich um freie oder proprietäre Software handelt. Nur der Umfang und die Ausgestaltung dieser Lizenz unterscheidet sich dann gewaltig.

Was sind die wichtigsten Punkte etwa einer GPL?

Die GPL ist eine sogenannte Copyleft-Lizenz. Das heißt, dass das Hauptinteresse daran liegt, die Freiheit der Software zu erhalten, und jedem Anwender die gleichen Rechte zu geben, egal ob es sich um einen einzelnen Studenten oder einen Großkonzern handelt. Eine Firma, die ein Produkt entwickelt, das unter der GPL lizenzierte Software enthält, muss demnach die gleichen Rechte, die sie vom ursprünglichen Autor erhalten hat, auch wiederum ihren Kunden einräumen. Bei der GPL wird somit sichergestellt, dass eventuelle Verbesserungen oder Weiterentwicklungen der Software wieder der Allgemeinheit zugute kommen.

Viele Entwickler halten das für einen sehr fairen Ausgleich zwischen den Interessen der ursprünglichen Programmierer und den Anwendern auf der einen Seite, aber auch den betreffenden Firmen. Letzlich sparen die ja ganz erhebliche Entwicklungs- bzw. Lizenzierungskosten im Vergleich zu proprietärer Software. Für diesen Vorteil "bezahlen" die Firmen dadurch, dass sie die Freiheiten der Software nicht wegnehmen, also ihren Kunden vorenthalten dürfen.

HARALD WELTE ist Programmierer und bekannter Open-Source-Aktivist. Er betreibt das Projekt gpl-violations.org, das Verstöße gegen die GNU General Public License, die wichtigste Free-Software-Lizenz, aufzeigen will. Darüber hinaus hat er bereits mehrere juristische Verfahren gegen GPL-Verletzer geführt - und auch gewonnen.

Manch einer aus der Wirtschaft findet, dass die GPL zu restriktiv ist. Deshalb wird zu weniger harten Lizenzen wie etwa der BSD-Lizenz gegriffen. Welche Vor- oder Nachteile hat das für die Freie-Software-Szene?

Ich denke es ist im wesentlichen eine Geschmacksfrage - und es wird weithin respektiert, dass der Autor einer Software über die Art und Weise der Verbreitung seines Werkes entscheidet. Wenn die GPL nun von einer Firma als zu restriktiv angesehen wird, kann sie ja jederzeit eine vergleichbare Software selbst entwickeln oder eine vergleichbare proprietäre Software für branchenübliche Lizenzkosten lizenzieren.

Google und Apple kamen zuletzt mit der eigentlich verpflichtenden Code-Veröffentlichung nicht mehr hinterher. Was kann die Open-Source-Szene dagegen tun?

Für Google ist mir kein Fall bekannt, allenfalls ein paar Gerüchte oder falsche Anschuldigungen, die auch nicht aus der Entwicklergemeinde selbst kamen. Auch im Fall von Apple war da zwar ein Problem, aber bei weitem kein so umfangreiches wie wir es bei zahlreichen anderen Firmen immer wieder erleben.

Bei ernsthaften Verstöße gegen die GPL können vor allem die Urheber der Software rechtlich Abhilfe verlangen. Die Verletzung der Lizenzbedingungen von freier Software ist eine Urheberrechtsverletzung - genau wie bei proprietärer Software auch.

Sie haben selbst schon rechtliche Maßnahmen gegen Lizenzbrecher eingeleitet. Passen freie Software und Juristerei zusammen?

Ich denke das ist kein Widerspruch. Es handelt sich in beiden Fällen um Systeme. Und es gibt Regeln, nach denen die Systeme handeln. Ich würde sogar sagen, es gibt juristische "Hacker", die Schlupflöcher in Gesetzen finden. Das ist nicht viel anders als in der Computerszene. Nur werden hier Sicherheitslöcher gesucht.

Letztlich ist die GPL aber auch ein juristischer "Hack". Das Rahmenwerk des Urheberrechts ist ja eigentlich darauf ausgerichtet, dem Urheber alle Rechte zu geben. Bei der GPL wird das aber nun dazu benutzt, den Anwendern und praktisch jedermann Rechte einzuräumen und diese auch so abzusichern, dass sie niemand mehr wegnehmen kann.

Warum ist es wichtig, die Lizenzbedingungen durchzufechten?

Es liegt in der menschlichen Natur, Regeln zu ignorieren, wenn diese nie kontrolliert und durchgesetzt werden. Deswegen haben wir Geschwindigkeitskontrollen auf den Straßen. Würde man nie kontrollieren, würde sich so gut wie niemand daran halten. Mit der gerichtlichen Durchsetzung der GPL ist das nichts anderes. Viele Firmen würden das als Selbstbedienungsladen ansehen und sich die Rechte von freier Software zu nutzen machen, ohne dass sie sich darum kümmern, den Pflichten nachzukommen. Damit wäre die Idee gescheitert, die Trennung zwischen Entwickler und Anwender aufzuheben und den Anwendern die gleichen Freiheiten einzuräumen. Der Anwender wäre wieder auf einen puren Konsumenten reduziert, ohne eigene Gestaltungsmoeglichkeiten zu haben.

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