Erster Netzkongress der CSU: Für einen Abend modern

Bei ihrem Netzkongress gibt sich die CSU fortschrittlich. Erstaunlich liberale Positionen stoßen dort auf Beifall bei Anhängern der Piraten – und auf harten Widerstand im eigenen Lager.

Mit Laptop und Lederhose: So sieht die CSU den typischen Bayern, also das eigene Wahlvolk, gerne. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Altmodische Holzständer mit Brezen stehen auf futuristisch blauen Plastiktischchen, auf der Videowand blitzen Bilder auf von einem eleganten IPhone und einem hakeligen CSU-Logo. In der hinteren Reihe tippen die Gäste von der Piratenpartei lässig auf ihren schlanken Notebooks. Auf der Bühne steht CSU-Chef Horst Seehofer steif zwischen Barhockern und erzählt stolz von seinem ersten Computer Marke Commodore, damals in den Achtzigern.

„Amiga hieß das damals, nicht Amigo“, witzelt Seehofer. Er beteuert: „Ich weiß wie man einen Computer anschließt und das Internet anklickt.“ Und redet etwas unbeholfen vom „Zeitalter von Internet, von Chips und Bits“. So sieht es also aus, wenn sich Deutschlands konservativste Volkspartei, die CSU, als führende Kraft auf dem Themenfeld Netzpolitik präsentieren will. Am Montagabend veranstaltete die CSU in München den ersten „Netzkongress“ ihrer Parteigeschichte. Und präsentierte ein unerwartet fortschrittliches Positionspapier. Der Titel: „In Freiheit und Fairness.“

Dabei hat bislang kaum eine Partei so massiv gegen Freiheiten im Internet gekämpft wie die CSU. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner warnt gerne öffentlichkeitswirksam vor den Gefahren durch Facebook und Google Street View. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ist ein bekennender Fan von Online-Durchsuchungen und fordert regelmäßig nicht nur die Sperrung von Internetseiten mit Kinderpornographie, sondern würde dies gerne auch auf rechtsextreme Inhalte ausdehnen.

Dagegen klingt das Positionspapier geradezu revolutionär: Die von den Unionsparteien geforderten Internetsperren bezeichnet es als „untaugliches Instrument“ und warnt vor der Gefahr, eine einmal etablierte Sperrinfrastruktur könne auch für andere Inhalte verwendet werden. Kinderpornographie im Netz solle gelöscht, nicht gesperrt werden. Das Papier fordert zudem ein Eintreten für Netzneutralität, „freiheitsschonende Technologien“ im Kampf gegen kriminelle Bedrohungen und verurteilt Massenabmahnungen bei illegalen Downloads.

Geschrieben hat das Internet-Pamphlet der „CSU-Netzrat“, ein Expertengremium bestehend aus zwei CSU-Bundestagsabgeordneten, einem Juraprofessor, einem Industriefunktionär, einem Medienmanager und einem Bereichsleiter vom Bayerischen Rundfunk – alles keine klassischen Web-Aktivisten. Als das Netzratsmitglied Dirk Heckmann von der Uni Passau das Papier vorstellt, gibt es immer wieder lauten Applaus – von den Piratenpartei-Mitgliedern im Saal.

Die Medienindustrie-Lobby gibt sich geschockt. Sie habe sich einen stärkeren Schutz des geistigen Eigentums erwartet, die Internetpiraterie verursache in Europa Milliardenschäden, empört sich im Publikum Margarete Evers von der Allianz Deutscher Produzenten. „Ist das fair, wenn bestimmte Anwälte ein Geschäftsmodell aus Abmahnungen machen“, fragt Heckmann. Es helfe nur das Sperren von Seiten, fordert Evers. Der Vorschlag sei genau der Beleg dafür, dass Sperren gegen Kinderpornographie schnell auf andere Bereiche übergreifen würden, kontert Heckmann.

„Das Papier ist eine Diskussionsgrundlage“, betont die Netzratsvorsitzende Dorothee Bär. Was davon zur Parteiposition werde, müsse erst der nächste Parteitag entscheiden. Doch schon jetzt sprechen sich führende CSU-Politiker entschieden gegen ein „Nein“ zu Netzsperren aus. „Wenn es darum geht, Kinder zu schützen, verstehen wir keinen Spaß“, so Bayerns Justizministerin Beate Merk. Und Innenminister Herrmann warnt in der SZ, Pläne zum Löschen von gefährlichen Seiten seien bislang nicht vorangekommen. Er meint: „Ich bin nicht begeistert davon, dass wir uns an einer Diskussion beteiligen, ohne das etwas vorangeht.“ Beim Netzkongress fehlen Merk und Herrmann.

Dafür versucht Netzrat-Chefin Bär vergeblich, die Piratenpartei-Anhänger zu CSUlern zu machen. Es gebe jetzt auch eine „CSU-Online-Mitgliedschaft“, so Bär. „Ich lade jeden einzelnen ein, CSU-Mitglied zu werden.“ Doch bislang hat die CSU außer dem unverbindlichen Positionspapier wenig Modernes zum Thema Internet anzubieten; nur alte Inhalte in moderner Verpackung: Das altbackene CSU-Propagandaorgan Bayernkurier gibt es seit Januar auch als IPad App.

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