Härtefall: Abgeschobene kehrt zurück

Die 22-jährige Roma Elvira Gashi ist aus dem Kosovo nach Wolfenbüttel zurückgekehrt - auf Betreiben aller Parteien des Landkreises, die sich damit gegen die Politik des niedersächsischen Innenministers stellen.

Froh, wieder in Wolfenbüttel zu sein: Die 22-Jährige Elvira Gashi und ihre beiden Kinder. Bild: dpa

Elvira Gashi ist zurück in ihrer Heimatstadt Wolfenbüttel. Nachdem die 22-Jährige mit ihren zwei Kindern den Herbst und Winter über im Kosovo war, hat sie eine "Betretungserlaubnis" bekommen für das Land, in dem sie aufgewachsen ist - befristet auf vier Wochen. "Das ist äußerst ungewöhnlich", sagt ihr Anwalt Dietrich Wollschlaeger.

Im Juni vergangenen Jahres war Gashi mit ihrem vierjährigen Sohn und ihrer dreijährigen Tochter abgeschoben worden - in einer Nacht- und Nebelaktion, die bundesweit Empörung auslöste. Die Beamten der Ausländerbehörde kamen nachts um halb zwei zu ihr, ohne Voranmeldung, und setzten sie in dasselbe Flugzeug nach Pristina, in dem auch ihr Ex-Mann saß, den sie verlassen hatte, weil er gewalttätig geworden war. Im Kosovo angekommen, versuchte er sie zu überzeugen, wieder zu ihm zu ziehen.

Für Flüchtlinge, die aus Deutschland abgeschoben werden, gilt normalerweise eine "Wiedereinreisesperre".

In Ausnahmefällen kann jedoch eine befristete "Betretungserlaubnis" ausgesprochen werden. Der Abgeschobene muss danach das Land wieder verlassen.

Im Fall von Elvira Gashi wurde angegeben, sie müsse ihre kranke Mutter besuchen. "Normalerweise ist das kein ausreichender Grund", sagt Gashis Anwalt Dietrich Wollschlaeger - schließlich müssten die Behörden befürchten, dass die Flüchtlinge bei ihrer Rückkehr Rechtsmittel einlegen.

Elvira Gashi flüchtete mit den beiden Kindern von einer Unterkunft zu nächsten, verbrachte nach eigenen Angaben ganze Nächte im Wald und musste mehrere Vergewaltigungsversuche abwehren. "Ihre Erlebnisse konterkarieren die Behauptungen der Innenminister, im Kosovo werde für die abgeschobenen Roma schon gesorgt", sagt Anwalt Wollschlaeger.

Im Januar wurde eine Sendung des ZDF-Magazins Mona Lisa ausgestrahlt, die Gashi und ihre Kinder in einem heruntergekommenen Haus zeigte. In dem leeren, mit Decken ausgelegten Zimmer drängten sie sich um einen Heizstrahler. In der gleichen Sendung sagte der kosovarische Sozialminister Nenad Rasic sinngemäß, sein Land habe zwar ein Rücknahmeabkommen mit Deutschland geschlossen, es habe den abgeschobenen Roma aber nichts zu bieten.

Dass Elvira Gashi überhaupt in die Stadt zurückkehren konnte, wo sie bis zu ihrer Abschiebung 20 Jahre gelebt hatte, ist dem Landkreis Wolfenbüttel und seinem Landrat Jörg Röhmann (SPD) zu verdanken. Noch im Monat der Abschiebung fassten alle Fraktionen im Kreistag, einschließlich der CDU, den Beschluss, die Roma nach Deutschland zurückzuholen - gegen den ausdrücklichen Willen von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU).

Der hatte in einer Landtagsrede vom August zu dem Fall Stellung genommen und behauptet, es sei Gashi "nicht gelungen, sich während ihres langjährigen Aufenthalts in Deutschland zu integrieren". Sie habe die Schule "ohne Abschluss verlassen" und sei somit "ohne berufliche Qualifikation". Die Ausländerbehörde sei zur Abschiebung verpflichtet gewesen, ein Ermessungsspielraum habe nicht bestanden.

"Uns ist aufgegangen, dass da einige Dinge passiert sind, die nicht hätten passieren dürfen", sagt dagegen Wolfenbüttels Landrat Röhmann. Gerüchten zufolge hat er seine politischen Kontakte zur SPD-Führung spielen lassen, um auf die deutsche Botschaft in Pristina einzuwirken, die "Betretungserlaubnis" auszustellen - was Röhmann entschieden dementiert: "Das ist eine Ente." Die Betretungserlaubnis sei "juristisch einwandfrei".

Gashis Anwalt und der niedersächsische Flüchtlingsrat haben angekündigt, Gashi und ihren Kindern doch noch eine Aufenthaltserlaubnis verschaffen zu wollen. "Das Mädchen hat den Hauptschulabschluss nicht geschafft, weil die Familie damals untergetaucht war", sagt Anwalt Wollschlaeger. Zu dem Zeitpunkt sei Elvira Gashi minderjährig gewesen, ein Umstand, auf den auch der Wolfenbütteler Landrat Röhmann hinweist: "Wie wahrscheinlich ist es, dass ein muslimisches Mädchen zu seiner Familie am Küchentisch sagt: Ich mach da nicht mit?"

Die Kosten für den jetzigen Flug habe der Niedersächsische Flüchtlingsrat ausgelegt, sagt der Landrat. "Aber finanzieren wird das der Landkreis." Aus dem Innenministerium in Hannover heißt es, man habe noch keine Informationen von der zuständigen Ausländerbehörde: "Daher warten wir ab."

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