Jobvermittlung bei Schlecker: Das Arbeitsamt abgezockt

Eine Frau bewarb sich bei der Drogeriekette Schlecker – und landete bei einer privaten Jobvermittlung: Die kassierte Subventionen, bevor sie die Frau wieder zu Schlecker schickte.

Wer hier arbeiten möchte, findet seine Bewerbung manchmal ganz woanders wieder. Bild: dpa

Die Methoden von Schlecker sind weiter im Visier. Bundesweit steht zurzeit der Vorwurf im Raum, die Drogeriekette betreibe rechtswidriges Outsourcing von Stammpersonal in Leiharbeitsfirmen. In Hamburg kommt eine andere Variante dazu: Wer sich an der Elbe um einen Job bei Schlecker bewirbt, gerät unter Umständen an eine Personalvermittlungsfirma – und diese kassiert pro Vermittlung 2.000 Euro von der Arbeitsagentur. Das nennen manche Beobachter Betrug.

Drei Monate lang hatte Ines Müller (Name geändert) im Sommer 2008 einen Job gesucht, als sie im Schaufenster der Schlecker-Filiale Dithmarscher Straße in Hamburg-Barmbek einen Aushang sah: "Aushilfe gesucht". Ihre Bewerbungsunterlagen schickte Müller direkt an den Schlecker-Markt.

Eine Woche später, berichtet Müller, habe sich eine Mitarbeiterin der "Jobxtern - Personal- und Stellenvermittlung" gemeldet. Sie habe von Schlecker Müllers Bewerbungsunterlagen erhalten, erklärte die private Arbeitsvermittlerin. "Ich habe dann einen Termin vereinbart", sagt Müller. Bei diesem Termin sei sie darum gebeten worden, einen Vermittlungsgutschein von der Arbeitsagentur zu besorgen. "Ich wusste gar nicht, dass es so was gibt."

Mit einen Arbeitsvermittlungsvertrag von der Jobxtern ging Müller zur Arbeitsagentur und erhielt von einem Sachbearbeiter unverzüglich einen Vermittlungsgutschein im Wert von 2000 Euro. "Ich habe ihm gesagt, dass ich mich eigentlich direkt bei Schlecker beworben habe", sagt Müller. "Er schüttelte nur den Kopf, gab mir aber trotzdem den Vermittlungsgutschein."

Diesen Gutschein brachte Müller zu Jobxtern, woraufhin sich nach einigen Tagen die Schlecker-Bezirksleiterin telefonisch meldete. Ein Vorstellungstermin wurde vereinbart und ein befristeter Ein-Jahres-Vertrag abgeschlossen.

Für Hamburgs Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar ist das Prozedere "abenteuerlich" und ein Verstoß gegen den Datenschutz: Bewerbungsunterlagen seien sensible persönliche Daten, "die nicht ohne Zustimmung an eine Vermittlungsagentur weitergegeben werden können", sagt er.

Caspar kündigt an, dem Vorgang nachzugehen: Zumindest handele es sich um eine Ordnungswidrigkeit, es könne sogar eine Straftat im Datenschutz vorliegen. Und es sei vermutlich kein Einzelfall. "Es gibt gute Gründe", so Caspar, "das zu prüfen".

Ines Müllers Anwalt Holger Thieß nimmt die Sache noch ernster. "Das ist hart an der Grenze zum Betrug, wenn nicht sogar über die Grenzen hinaus", sagt er. Er hat den Vorgang der Regionaldirektion Nord der Arbeitsagentur in Kiel gemeldet und die Staatsanwaltschaft Hamburg informiert.

"Wie kommt Schlecker dazu, einer Vermittlungsagentur einen solchen Auftrag zukommen zu lassen, wenn die Bewerberin sich direkt gemeldet hat?" Thieß sind Fälle bekannt, wo Staatsanwaltschaften dies als Betrug angesehen haben. Auch der Arbeitsrechtler selbst geht davon aus, "dass dieses Prozedere – so reibungslos, wie es lief – bei Schlecker kein Einzelfall ist".

Der Agentur für Arbeit sind solche Fälle bekannt, sie ist aber anscheinend hilflos. "Jeder, der mehr als sechs Wochen arbeitslos ist, hat Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein", sagt Kurt Eikemeier, Sprecher der Nürnberger Bundesagentur. "Das ist nun mal die Gesetzeslage." Was mit dem Gutschein geschehe, darauf habe man keinen Einfluss.

"Wenn keine Vermittlungsleistung erbracht wurde", sagt Anwalt Thieß, "ist das unzulässige Subventionsabzocke".

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