Tierversuche: Affenversuche nicht zu stoppen

Der Bremer Senat muss sein Nein zu weiteren Affen-Versuchen an der Bremer Universität besser begründen. Das Verwaltungsgericht hob den Ablehnungsbescheid auf.

Der Kopf eines Makaken-Affen, in dessen Gehirn Elektroden implantiert sind, fotografiert vom Deutschen Tierschutzbund. Bild: dpa

BREMEN taz | Das Bremer Verwaltungsgericht hat gestern nach zweistündiger mündlicher Beratung einen Bescheid aufgehoben, mit dem die Bremer Gesundheitsbehörde weitere Experimenten an Makaken-Affen an der Universität untersagen will. Dem rot-grünen Senat hat das Gericht aufgegeben, "unter Berücksichtigung der Auffassung des Gerichtes" den Forschungsantrag neu zu bescheiden. Damit geht eine jahrelange Auseinandersetzung in die nächste Runde. Ob Bremen gegen dieses Urteil Berufung einlegt oder ob man aufgrund der Hinweise des Gerichtes den Antrag neu bescheide, werde man nach Vorliegen des schriftlichen Urteils beraten, sagte der Vertreter der Gesundheitsbehörde, Matthias Gruhl.

Wie können Belange des Tierschutzes gegen das Interesse wissenschaftlicher Forschung abgewogen werden, das ist die schwierige Frage, die hinter dem Streit steht. Und: Wer darf das abwägen? Solange die Wissenschaftsfreiheit nicht durch ein "Staatsziel Tierschutz" im Grundgesetz relativiert war, musste der Wissenschaftler selbst die ethischen Fragen in seinem Antrag bewerten und wenn er das getan hatte, war den Anforderungen für eine Genehmigung genüge getan. "Wenn Sie die Tiere in den Gehegen beobachten, dann sehen Sie einen Zustand, den Sie in jedem Zoo beobachten können", so sieht der Bremer Neurobiologe Andreas Kreiter selbst die Beeinträchtigungen seiner Versuchstiere - ethische Probleme sieht er nur bei denen, die wissenschaftliche Grundlagenforschung über das Gehirn "blockieren" wollten.

Das wäre ja so, als würde man den Betreibern von Atomkraftwerken die Bewertung der Sicherheitsfragen überlassen, konterte der Anwalt der Bremer Behörden, der Kieler Verwaltungsrechtler Wolfgang Ewer. Nach dem Jahr 2002, in dem der Tierschutz als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen wurde, müsse eine Abwägung stattfinden, und die stehe der demokratisch legitimierten Exekutive zu. Gutachten, so der Jurist, könnten bei der Abwägung helfen, die letztliche Werteentscheidung aber nicht ersetzen.

Seit 1998 werden an der Universität Bremen Hirnversuche an Affen durchgeführt. Dabei sitzen Makake-Affen in engen Plexiglaskästen und müssen am Computerbildschirm Aufgaben lösen.

Festgeschraubt wird der Kopf an einem zu diesem Zweck in den Schädelknochen einzementierten Haltebolzen, damit die Affen ihn nicht bewegen können.

Messelektroden, die ins Hirn und in ein Auge gelegt werden, registrieren ihre Hirnströme und Augenbewegungen.

Flüssigkeit gibt man den Affen nur dann tropfenweise, wenn sie ihre Aufgaben richtig lösen - um sie zur Mitarbeit zu zwingen.

100.000 Menschen haben im Rahmen einer Kampagne des Deutschen Tierschutzbundes einen Bürgerantrag gegen diese Versuche unterschrieben.

Den Ausstieg aus den Affen-Experimenten bis 2008 hat der Bremer Senat 2007 beschlossen.

Abgelehnt hat die Gesundheitsbehörde den Antrag zur Fortsetzung der Versuche im Oktober 2008.

Die Gesundheitsbehörde hatte ihre Ablehnung weiterer Versuche in einem 64-seitigen Schreiben ausführlich begründet, sich dabei auf den Artikel 20 Grundgesetz und auf drei ethische Gutachten gestützt - was wolle man mehr, so der Anwalt. Verwunderlich sei, dass in dem einstündigen Vortrag des Gerichts die Bedeutung des Artikel 20 Grundgesetz - "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere" - mit keinem Wort Berücksichtigung erfahren habe. Der Vorsitzende der Kammer, Gerichtspräsident Viggo Eiberle, hatte sich nur auf die Beratungen des Gesetzes aus dem Jahre 1986 bezogen.

Er hatte daher den Ermessensspielraum der Behörde bei der Abwägung enger gesehen. So monierte er, dass die Ethik-Gutachter die - international bekannten - Versuchsbedingungen der Makakenexperimente ethisch bewertet hatten und von einer hohen Belastung ausgegangen waren, nicht aber die konkreten Lebensbedingungen der Tiere an der Bremer Universität in Augenschein genommen hatten.

Die Gutachter selbst, so der Anwalt der Behörde, hätten das nicht für erforderlich gehalten und seien davon ausgegangen, dass die Tiere dort den Umständen entsprechend gut versorgt würden - schon damit sie "mitspielen" bei den Experimenten. Die Belastung bestünde in der Platte, die Tiere in den Kopf geschraubt bekämen und mit der sie im Primatenstuhl fixiert würden. Vor allem sei aber der Wasserentzug nicht artgerecht und damit eine extreme Belastung - nur wenn die Tiere bei den visuellen Experimenten "mitspielen", erhalten sie zur Belohnung die erforderliche Menge zu trinken.

Die Anregung, die Tiere nicht über Wasser-Entzug, sondern "anders zu belohnen", wurde von Kreiter abgelehnt mit der Begründung, jede Konditionierung sei davon abhängig, dass das Tier etwas bekommt, was es notwendig braucht.

Umstritten ist auch, ob es auf die Frage ankommt, welches die Ziele der Forschung sind. Kreiter hatte seine Anträge immer mit der Grundlagenforschung begründet und medizinischen Nutzen grundsätzlich als möglich dargestellt. Bei erheblicher Belastung für die Tiere, so das Bremer Tierschutzgesetz, müssten die Experimente "für wesentliche Bedürfnisse von Mensch und Tier von hervorragender Bedeutung sein". Bei der Abwägung spielt es also eine Rolle, ob das wissenschaftliche Projekt, für das die Tierversuche beantragt werden, als "hervorragend" im Hinblick auf den Nutzen auch für den Menschen bewertet wird. Kreiter hatte das nie behauptet, die Behörde hatte in ihrem Ablehnungsbescheid das Thema daher nicht angesprochen. Das rügte der Richter - die Behörde hätte den Wissenschaftler darauf hinweisen müssen, dass diese Bewertung wichtig sei. In einem "Ergänzungsbescheid" hatte die Gesundheitsbehörde dies kurzfristig nachgeholt.

Möglicherweise wird das Gericht in seinem schriftlichen Urteil dafür umfangreichere Begründungungen verlangen. Da es aber kaum einen Wissenschaftler gibt, der sich einerseits in dem Spezialgebiet auskennt und andererseits nicht befangen ist, dürfte es schwierig sein, diese Frage zu objektivieren. Denn mit dem Bremer Verfahren wird die Abwägung zwischen Tierschutz und Wissenschaftsfreiheit erstmals einer gerichtlichen Prüfung unterzogen. Vermutlich wird sie letztlich erst vor dem Bundesverfassungsgericht eine endgültige Entscheidung erfahren.

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