Umweltschutz: Der Eremit am Flughafen

Auf den bedrohten Eremitenkäfer berufen sich die Gegner des Flughafenausbaus in Braunschweig. Vor Gericht unterlagen sie. Nun hoffen sie auf EU-Hilfe.

Objekt des Streits: der Eremitenkäfer. Bild: Wikimedia

"Karl der Käfer wurde nicht gefragt, man hat ihn einfach fortgejagt" - dieser fast 30 Jahre alte Protestsong bekommt in der Umgebung des Braunschweiger Flughafens für zahlreiche Bürgerinitiativen und Umweltverbände eine ganz neue Bedeutung. Sie kämpfen gegen die Verlängerung der Start- und Landebahn des Braunschweiger Flughafens. Die Anwohner befürchten nicht nur eine Zunahme des Fluglärms - da in Zukunft auch der A 320 hier landen können soll - sie sehen auch ihr Naherholungsgebiet inklusive Flora und Fauna in Gefahr.

Bislang wurden 33 Hektar des angrenzenden Querumer Forstes gerodet. Dort wurden in den vergangenen Monaten mehrere Eremiten-Käferlarven gefunden - eine "prioritäre" Art, die von der EU unter Artenschutz gestellt wurde. Aber auch die bis zu 200 Jahre alten Bäume wollen die Anwohner bewahren.

Noch vor Rodungsbeginn hatte der Naturschutzbund im vergangenen Jahr gemeinsam mit Privateigentümern und den Bürgerinitiativen am Oberverwaltungsgericht Lüneburg Klage gegen die geplante Startbahnverlängerung eingelegt. Erfolglos. Die daraufhin beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegte Revision wurde nicht zugelassen. Allein diese beiden Verhandlungen haben rund 100.000 Euro gekostet.

Der braunschwarz glänzende, bis zu vier Zentimeter lange Käfer steht auf der Roten Liste der gefährdeten Tiere Deutschlands.

Bis zu vier Jahre lang wächst die Eremiten-Larve heran.

Der männliche Käfer lebt nur wenige Wochen, der weibliche bis zu drei Monate.

Eremiten leben in hoch gelegenen Höhlen meist sehr alter Bäume, die sie oft ihr Leben lang nicht verlassen.

Die Wahl des Baums hängt vom Mulm-Anteil ab, einem Sediment aus totem Baummaterial an der Innenseite des Baumes, in welchem die Larven heranwachsen.

Doch die Initiativen wollen sich noch nicht geschlagen geben, sie stehen mit der Generaldirektion für Umwelt der EU in Kontakt und versuchen, mit täglichen Spaziergängen durch den Querumer Forst auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Auf einem dieser Spaziergänge haben sie auch die erste Larve des geschützten Käfers gefunden. Weitere Funde folgten. Nun werfen sie der Flughafengesellschaft vor, nicht richtig gesucht zu haben. Auf der Seite der Ausbaubefürworter wird hingegen gemunkelt, die Larven seien von Menschenhand ausgesetzt worden.

Das weisen die Ausbaugegner als absurd zurück. "Wir haben doch keine Larven ausgesetzt", sagt Uta Ernst von der Bürgerinitiative Hondelage-Dibbesdorf. "Wenn es tatsächlich so einfach wäre, an Eremitenlarven zu kommen, hätte man ja gleich mehrere aussetzen können."

Vor allem der Fundort der Larven ruft Zweifler auf den Plan. Normalerweise leben die Larven in acht bis zehn Meter Höhe im Mulm auf der Innenseite des Baums. Gefunden wurden die Larven hingegen im offenen, weil abgesägten Baumstumpf. Tierökologe Wolfgang Büchs, der sich in der Bürgerinitiative Kralenriede engagiert, findet das durchaus plausibel: "Der Winter war sehr kalt, da ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Larven sich in Richtung des wärmeren Bodens bewegen." Ebenso sei es aber auch möglich, dass Vögel die Larven "verschleppt" hätten. Schließlich seien die Baumstümpfe- und Stämme ja nach der Rodung offen gewesen.

Die Flughafengesellschaft wiederum weist den Vorwurf zurück, den Umweltschutz zu vernachlässigen. "Die Landebahnverlängerung ist einfach zwingend erforderlich", sagt Flughafensprecher Ernst-Johann Zauner. Die Flugsicherheit müsse gewährleistet sein und der angegliederte Forschungsflughafen gestärkt werden. Schließlich solle hier bald auch der Airbus 320 landen können.

"Es ist nun auch nicht so, dass wahllos Bäume gefällt wurden", sagt Zauner. "Bevor das Roden überhaupt anfangen konnte, haben wir ein Team von Experten losgeschickt, die den Wald auf das Vorkommen bedrohter Tierarten untersucht haben." Der Eremitenkäfer sei dabei nicht angetroffen worden, wenngleich ein Vorkommen nicht ausgeschlossen wurde.

Die gefällten Bäume gehörten zudem zu rund 90 Prozent zu einem noch recht jungen Baumbestand, der erst kurz nach dem zweiten Weltkrieg angepflanzt wurde. Die wenigen Bäume, die Hohlräume und somit Wohnräume für Lebewesen aller Art aufwiesen, seien sogar von Hand gefällt worden, damit Tiere umgesiedelt werden könnten.

Momentan ruhen die Motorsägen. Im Winter sollen weitere "28 Hektar Wald auf die Anforderungen an die Hindernisfreiheit angepasst werden", schreibt die Flughafengesellschaft. Derweil warten die Bürgerinitiativen auf eine Rückmeldung der Generaldirektion für Umwelt der EU.

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