Kunst: Der Maler und sein Staatsanwalt

Ein Rintelner Künstler steht wegen Fälschung vor Gericht - und wehrt sich auf seine Weise. Eine Provinzposse, in der es um alles geht: um Kunstfreiheit, Vermarktung und die Öffentlichkeit des Internet.

Ein klein wenig stolz auf seine Medienpräsenz scheint der Maler schon zu sein. Auch wenn er sagt, dass sie ihm schade. Bild: Tobias Landmann

Wer Polizisten bei einer Hausdurchsuchung filmt und das Video anschließend ins Internet stellt, macht sich strafbar. Das kostet nach einem Urteil des Bückeburger Landgerichts den Künstler, Galeristen und Webdesigner Thomas Sack 375 Euro. Nur ein Urteil in dem inzwischen zwei Jahre währenden Streit Künstler gegen Justiz.

Der 27-Jährige aus Schaumburg, der sich nur Tom Sack nennt, hat alle Chancen, in die Geschichte des World Wide Web einzugehen: als der Erste, der seine Auseinandersetzung mit der Justiz komplett im Internet veröffentlicht, Schriftstück für Schriftstück.

Die Justiz hat mit dieser Form der Öffentlichkeitsarbeit offensichtlich ihre Probleme und zitiert den jungen Mann immer wieder vor die Schranken des Gerichts, einfach deshalb, weil es verboten ist, amtliche Schriftstücke zu veröffentlichen, solange die nicht in der Hauptverhandlung erörtert worden sind. Ein Paragraf, der ursprünglich dafür gedacht war, die Intimsphäre Dritter bei Sexualdelikten zu schützen. Doch um Sex geht es bei Sack nicht, sondern um Kunst, genauer gesagt um Kunstfälschung, die Sack in 201 Fällen vorgeworfen wird. Doch diese "Hauptsache", wie man im Juristendeutsch das nennt, hat die Staatsanwaltschaft, wie es scheint, aus den Augen verloren und sich nun in einen Kleinkrieg um die Internetveröffentlichungen verzettelt.

Begonnen hatte das Duell Künstler gegen Justiz mit einer Hausdurchsuchung in Sacks Atelier in Schaumburg am 5. April 2008, wo Polizeibeamte nach gefälschten Kunstwerken suchten. Sack filmte diese Aktion, weil der begleitende Staatsanwalt keinen richterlichen Durchsuchungsbefehl hatte vorweisen können und sich auf Gefahr im Verzug berief. Bei einer weiteren Hausdurchsuchung am 14. August 2008 will Sack erneut filmen, Polizeibeamte nehmen ihm aber die Kamera aus der Hand. Es beginnt ein Ping-Pong-Spiel der besonderen Art: Sack erstattet Anzeige wegen Nötigung, die Staatsanwaltschaft kontert, die Wegnahme der Kamera sei gerechtfertigt gewesen. Sack legt Beschwerde ein, die wird vom Generalstaatsanwalt in Celle zurückgewiesen. Jetzt kommt sein Anwalt Roman von Alvensleben ins Spiel, der einen Klageerzwingungsantrag stellt, den - man errät es schon - das Oberlandesgericht Celle für unzulässig erklärt.

Sack greift zum Pinsel und malt seinen persönlichen Gegner, wie er es sieht, den Bückeburger Staatsanwalt André Lüth und stellt das 80 mal 60 Zentimeter große Bild für die aberwitzige Summe von 10.186 US-Dollar ins Internet zum Verkauf - 1.000 Euro werden ihm dafür geboten.

Der porträtierte Staatsanwalt ist nicht amüsiert und lässt das Bild beschlagnahmen - wieder steht Polizei vor Sacks Tür.

Am 9. Februar dieses Jahres kassiert Sack für die Veröffentlichung von amtlichen Schriftstücken im Netz vom Amtsgericht Rinteln eine Strafe von fünf Tagessätzen, pro Tag 16 Euro, die niedrigste Summe, die das Gesetz überhaupt zulässt. Richter Christian Rost befindet, dieses Verfahren sei überflüssig, eine "Provinzposse". Rost war dann auch der Erste auf dem Instanzenweg, der das Gemälde mit dem Porträt des Staatsanwaltes im Original besichtigen konnte und urteilte: Freispruch.

Hier folgte gestern das Landgericht Bückeburg dem Rintelner Richter. Dass Sack den Staatsanwalt gemalt habe, sei künstlerische Freiheit - auch, weil keineswegs karikaturhaft, sondern ganz ansehnlich und in Robe, damit sei der Staatsanwalt als Amtsperson zu erkennen sei. Freispruch! Was ist dieser Künstler, Kunsthändler, Webdesigner - ein Michael Kohlhaas, der wie in einer Novelle von Heinrich von Kleist wegen angeblich erlittenem Unrecht selbst zum Wüterich wird? Ein Don Quichotte, der gegen Windmühlen anläuft?

Nein, sagt Sack, eigentlich habe er diese Auseinandersetzung so gar nicht gewollt. Er sei heute selbst überrascht, "dass das so ausgeufert ist". Er sei sich zu Beginn des Streites der komplizierten Rechtslage überhaupt nicht bewusst gewesen: "So was lernt man nicht in den ersten Semestern des Jurastudiums." Der Auslöser, an die Öffentlichkeit zu gehen, seien für ihn die Hausdurchsuchungen gewesen: "Ich habe mich in meinem Rechtsempfinden verletzt gefühlt." Aus ähnlichen Motiven habe er danach das Porträt des Staatsanwaltes gemalt, ein Protest mit den Mitteln der Kunst.

Sack sagt, er habe inzwischen den Eindruck, "dass man als Beschuldigter in einem Strafverfahren praktisch keine Rechte hat, egal, ob man schuldig oder unschuldig ist, wenn die Staatsanwaltschaft beschlossen hat, die Sache persönlich zu nehmen". Anhaltspunkte dafür kann er nennen. So habe der Richter wie sein Verteidiger bei der Verhandlung vor dem Amtsgericht am 9. Februar, als es um die erneute Veröffentlichung von amtlichen Schriftstücken im Internet ging, der Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens vorgeschlagen, weil der Beschuldigte in der Hauptsache ohnehin eine höhere Strafe zu erwarten habe. Das sei die übliche Vorgehensweise in solchen Fällen - doch die Staatsanwaltschaft habe abgelehnt.

Sack hat den Verdacht, die Staatsanwaltschaft könnte ihn auch deshalb so hartnäckig wegen seiner Internetaktivitäten verfolgen, weil von der eigentlichen Anklage, der Kunstfälschung, so wenig übrig geblieben sei. Denn das Landgericht habe ihm inzwischen mitgeteilt, dass es in 167 von den ursprünglich 201 angeklagten Fällen keinen hinreichenden Tatverdacht mehr sehe. Der Tatverdacht "klassische Kunstfälschung", also die Kopie von Werken bekannter Maler in betrügerischer Absicht, sei sogar komplett gestrichen worden. Was bleibt ist, dass Sack Maler erfunden haben soll, die nicht existieren, so die Malerin Cara Gano und die Maler Ernst Cuno und Joe Kapingo. Nur, sagt der Künstler, gebe es hier keinen Geschädigten, denn diese Bilder seien nicht verkauft worden.

Sack hält ein solches Marketing, die Kunst unter einem Künstlernamen mit einer Fantasiebiografie zu verticken, sogar für üblich. Die Staatsanwaltschaft verkenne hier offensichtlich die Regeln des Marktes und die Entstehungsweise von Kunstwerken, sagt Sack. Sollte er tatsächlich verurteilt werden, sehe er sich im Umkehrschluss gezwungen, Strafanzeigen gegen andere Sammler und Galeristen zu erstatten, die ebenfalls Künstler mit ähnlichen Methoden aufgebaut hätten.

Sacks Fall ist längst auch in überregionalen Medien dargestellt worden. Unter dem Strich, sagt der Maler, habe ihm die Medienpräsenz aber mehr geschadet als genützt - auch hier irre die Staatsanwaltschaft, wenn sie glaubt, er ziehe daraus Vorteile. Sicher, er bekäme jetzt Aufträge von Kunden, die sich von ihm porträtieren lassen wollten, doch sein Ruf als Kunsthändler sei durch die laufenden Prozesse auf Jahre ruiniert. Kein Kunsthändler, keine Galerie wolle mit ihm noch geschäftliche Kontakte - aus Angst, in die Sache hineingezogen zu werden.

Eine Sache übrigens, von der Sack glaubt, dass sie wegweisend ist. Die Staatsanwaltschaft werde sich zukünftig noch häufiger mit unliebsamen Internetveröffentlichungen konfrontiert sehen. Sein Fall sei da nur der Anfang.

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