Regisseur, Autor und Glückssucher Peter Schanz: "Die Musik ist der Anfangspunkt"

Beim 1. Braunschweiger Glückssucher-Kongress treffen musikalische Laien auf Profis, um durch ihre Verschiedenartigkeit Glücksmomente zu schaffen. Organisator Peter Schanz über den Waggumer Frauenchor, riesige Pilze, divergierende Glücksauffassungen und das Glück des Scheiterns.

Glück ist wie riesige Pilze, die unterirdisch wachsen und ab und zu aus dem Boden schauen und man glaubt nicht, dass sie noch weitergehen. Bild: dpa

taz: Herr Schanz, stimmt es, dass das Glück umso mehr wird, je mehr Leute daran Teil haben?

Peter Schanz: Das deckt sich mit meiner Glückssuchererfahrung nur zum Teil. Leider! Offensichtlich gibt es doch sehr divergierende Glücks-Auffassungen wie auch Glücks-Empfindungen. Will, nein, muss sagen: Es gibt nach wie vor diverse Zeitgenossen, deren Glück vom Unglück des Nachbarn abhängig ist. Schöne Scheiße. Aber die nennen auch das tatsächlich "Glück"!

Haben wir tatsächlich keine Chance, verallgemeinerbare Aussagen über das Glück treffen zu können?

Nein. Ich komme bei meiner Glücksauffassung ja auch mit meinen eigenen moralischen Vorstellungen. Beim Glückssucherkongress ist eher die Frage, auf welchem Level wir scheitern. Außerdem sind wir ja ein Glückssucher-Kongress und nicht ein Glücksversprecher-Kongress.

Wenn man sich auf eine Suche begibt, braucht man einen Anfangspunkt. Wo starten Sie?

Der Anfangspunkt ist die Musik. Dann haben wir versucht, die Glückssuche zu systematisieren und sind zu sieben Kategorien gekommen, mit denen wir uns jeweils einen Abend lang beschäftigten. Kategorien wie "Vom Glück des Anfangs und der Unschuld" zum Beispiel.

Der 1. Braunschweiger Glückssucher-Kongress ist eine siebenteilige Reihe, die an neun Abenden im Kulturzentrum Brunsviga stattfindet. Es gibt jeden Tag ein anderes Thema und andere musikalische Gäste.

Mit dabei ist jedes Mal die Braunschweiger Jazzkantine und zum jeweiligen Thema gibt es immer eine Einführung von Peter Schanz.

1. Vom Glück des Anfangs und der Unschuld: 27. Mai

2. Vom Glück des Festes und des Spiels: 28. Mai

3. Vom Glück des Weges und des Wegseins: 29. Mai

4. Vom Glück des Glaubens und des Zufalls: 30. Mai

5. Vom Glück der Liebe und der Lust: 1. und 2. Juni

6. Vom Glück des Unglücks: 3. und 4. Juni

7. Vom Glück des Scheiterns und des Tüchtigen: 5. Juni

Der Markt der Lebenshilfe-Literatur zum Thema Glück ist riesig. Sind Sie da nicht etwas hinterher, wenn Sie suchen, anstatt Ergebnisse anzubieten?

Jazzkantinen-Chef Christian Eitner und ich sind mit Vorsatz defensive Menschen. Wir wollen vermitteln, dass das Suchen etwas Schönes ist. Wir wollen das Glück bei der Suche nach dem Glück finden.

Als weit verbreitete Glücksvorstellungen gelten das Geld und die Unabhängigkeit. Spielen die bei Ihnen eine Rolle?

Für viele Menschen ist das Geld ein Parameter für Glück. Wir haben als eine feste Rubrik jeden Abend einen Fragebogen für die Besucher. Die Fragen haben genau damit zu tun: Geld, Abhängigkeit, Reichtum. Stellen Sie sich vor, sie erben 1.000 Euro und ihr Bruder erbt 1.000 Euro - sind Sie dann glücklich? Stellen Sie sich vor, Sie erben 10.000 Euro und ihr Bruder erbt auch 10.000 Euro - sind Sie dann glücklicher? Und wie ist es, wenn Sie eine Million Euro erben, aber ihr Bruder erbt drei Millionen? Wir spielen damit, dass das Glück erstaunlich oft in Abhängigkeit von anderen definiert wird.

Die musikalische Gestaltung der Glückssucher-Abende übernehmen auch Laienensembles. Warum?

Es geht ums Gemeinsame. Wir haben neben der Jazzkantine zum Beispiel den Waggumer Frauenchor, den Braunschweiger Shanty-Chor oder die Blockflötengruppe der Braunschweiger St. Pauli-Gemeinde. Der Waggumer Frauenchor, der aus Großmüttern und Müttern besteht, trifft dann auf eine Soulsängerin. Die Vielgenerationen-Hausmusik wäre dann unser Glücksbeitrag. Der dadurch entsteht, dass dort Gruppen hoffentlich ein kleines Glück dabei empfinden können, mit Artfremden Musik zu machen.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Vergnügen und Glück?

Das Vergnügen ist die Nichte des Glücks. Das Vergnügen kann sich auch manch Anrüchiges leisten. Was man beim Glück nicht so ohne Weiteres zugeben würde.

Weil es das Glück in den Fokus der Philosophen und Schriftsteller geschafft hat.

Ich habe bei der Vorbereitung auf den Kongress viel zu viel gelesen, man wird ganz wirr. Weil das Glück so vielschichtig und uferlos ist. Definitionen werden dann viel zu kompliziert oder so allgemein, dass sie nichts aussagen. Das Glück ist wie diese riesigen Pilze, die unterirdisch wachsen und ab und zu aus dem Boden schauen und man glaubt gar nicht, dass sie noch weitergehen.

Ihr liebstes Glückszitat?

"Wer sich Mühe gibt, hat Glück gehabt", von Alexander Kluge. Da steckt alles drin: Ein bisschen Seines-Glückes-Schmied und ein bisschen Glück-des-Scheiterns und dass das Glück dann irgendwie hinterher kommt. Und eine liebenswerte Grund-Paradoxie.

Hat der Waggumer Frauenchor eine eigene Glücksbestimmung entwickelt?

Waggum ist ein eingemeindetes Dorf mit einem kleinen Freibad. Das kann die Stadt nicht mehr erhalten. Also erhalten es die Waggumer selbst. Da gehen der Waggumer Frauenchor und der Männergesangsverein im Frühjahr los und machen ihr Schwimmbad für den Sommer fertig. Das ist nichts, was wir mit unserem Glückssucher-Kongress ausgelöst hätten. Aber dass man davon erfährt und es als Beispiel für eine schöne Glücksunternehmung sehen kann, finde ich klasse.

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