Entschädigung: Ein Waisenhaus für Kundus

Der Bremer Anwalt Karim Popal will für die Opfer des Luftangriffs von Kundus kein Bargeld, sondern "nachhaltige Projekte". Er wehrt sich gegen den Bericht von "Report Mainz" über seine Äußerungen in Kundus.

Der Anwalt Karim Popal mit Bundeswehr-Schützern in Kundus. DAS ARD-Magazin "Report Mainz" erhebt schwere Vorwürfe gegen den Bremer. Bild: dpa

Der Bremer Anwalt Bernhard Docke, der sich als Vertreter des Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz international einen Namen gemacht hat, wird den aus Afghanistan stammenden Bremer Anwalt Karim Popal unterstützen. Popal hatte im Interesse der Opfer des Luftangriffs von Kundus mit dem Bundesverteidigungsministerium über Entschädigungen verhandelt. Er war in der Nacht gerade aus Kundus zurückgekommen und berichtete gestern über den Stand der Gespräche. Docke sprang ihm vor allem zur Seite, als es um die Kritik von "Report Mainz" an der Rolle Popals ging.

Unter den Hinterbliebenen des Luftangriffs auf einen Tanklastwagen gebe es bedrückend viele Frauen und Kinder, zum Teil ohne männliche Verwandte, berichtete Popal. Wenn man diesen 50.000 Euro Entschädigung in die Hand drücken würde, provoziere das nur die Straßenräuber und diejenigen, die Menschen entführen, um Geld zu erpressen - "ich weiß, was in Afghanistan Geld bedeutet". Er verhandele mit der Bundeswehr daher vor allem über akute Winterhilfe für die 16 betroffenen Dörfer, in denen Angehörige der Opfer wohnen. Wichtig sei die Einrichtung eines Waisenhauses mit Kindergarten und Vorschule. Denn wenn eine Witwe, und manche der Mütter seien gerade 17 Jahre jung, neu heiraten wolle, dann würden nach afghanischer Sitte ihre Kinder im Haushalt des neuen Mannes nicht aufgenommen.

Auf der Liste der Projekte, die der Region "nachhaltig" helfen sollen, steht auch eine Milchvieh-Genossenschaft, in der Frauen Arbeit finden sollen oder etwa - auf Vorschlag des lokalen Gouverneurs - eine Teppich-Knüpferei. Wie viel Geld das kostet, könne man nicht sagen, es gehe um ein deutsches Engagement über 10 oder 20 Jahre, so der Anwalt. Er sei sich mit dem Bundesverteidigungsministerium grundsätzlich einig, die Details der Projekte müssten noch entwickelt werden.

Weitere übersetzte Auszüge aus dem "Report Mainz"-Video:

"Dies ist eine Gotteshilfe für die Menschen im Tschardarra, dass ich und meine Kollegen da sind. Ich lehne die Behauptung energisch ab, dass die Leute hier Taliban sind. Die Leute in Tschardarra tragen wie alle anderen Afghanen auch Bärte, sie beten und erfüllen ihre islamischen Pflichten. Es ist Aufgabe aller Afghanen/Muslime ihrer religiösen Pflicht treu zu bleiben." (…)

"Im Ort Tschardarra sollen alle Familien, die Mitglieder verloren haben, an dem Opferzoll ihrer Märtyrer teilhaben." (…)

"Mit der Hilfe Gottes kommt der Sieg näher." (Koranvers)

www.report-mainz.de

Vehement wehrte sich der Anwalt gegen den Vorwurf, er treibe die Zahlen der Opfer im Interesse seines eigenen Honorars in die Höhe. Ihm gehe es um die Menschen in der Region, versicherte Popal, sein Honorar habe nichts mit der Zahl der Betroffenen zu tun, sondern mit dem Aufwand für die Projekte. Er habe das Mandat von 79 Personen, von denen er belegen könne, dass sie erbberechtigte Angehörige von Opfern des Luftangriffs seien, und die alle auf eine persönliche Entschädigung zugunsten der nachhaltigen Projekte verzichten würden.

In der Sendung "Report Mainz" vom 11. Januar waren Ausschnitte aus einem Video gezeigt worden, das Popal vor Ort zeigt. In einem Abschnitt wird die Unterschrift eines Mandanten dokumentiert, der nur mit seinem Fingerabdruck "unterschreiben" konnte. "Nehmen Sie mich zu Ihrem Anwalt, damit ich die Rechte ihrer Märtyrer verteidigen kann?" fragt Popal den Mann. Die Antwort: "Ja". Popal bestreitet, das Wort "Märtyrer" verwendet zu haben - die Übersetzung von "Report Mainz" sei falsch.

Gravierender noch ist der Streit um ein anderes Zitat: Popal, so der Sender, "sagt wörtlich zum Vorgehen der europäischen und amerikanischen Truppen: In verschiedenen Orten ist es so: Sie gehen in die Dörfer und töten Menschen, weil sie einen langen Bart tragen und sich wie die Taliban kleiden. In Afghanistan tragen viele Leute einen Bart und tragen einen Turban." Popal behauptet, das sei aus dem Kontext gerissen. Er habe damit nicht die Bundeswehr gemeint - "diese Jungs" hätten ihn in Kundus geschützt und seine Hubschrauber-Transporte organisiert.

Das sei "Agitation der übelsten Sorte", sagt dagegen der Grünen-Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour zu dem, was er auf dem Video gesehen hat. Da die Bundeswehr schon vor dem Auftreten des Anwaltes überlegt habe, mit welchen Projekten sie "Wiedergutmachung" in der Region betreiben könne, sehe es "sehr stark danach aus, als würde dort ein Rechtsanwalt tatsächlich versuchen, Geld mit Menschenleben zu machen. Und das ist indiskutabel", so Nouripour.

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