Speakers' Corner für Göttingen: Eine Ecke für Meinungen

Beinahe wie in London: Göttingen soll eine Speakers' Corner bekommen. Damit will die örtliche SPD nicht zuletzt das neue Versammlungsgesetz aushebeln.

Vorbild Hyde Park: Wie dort sollen bald auch in Göttingen Redenschwinger ein Forum bekommen. Bild: dpa

In Göttingen wird es bald möglich sein, öffentlich Reden zu halten, und das, ohne sie vorher anzumelden. Vorige Woche beschloss der Kulturausschuss des Stadtrates, eine Speakers' Corner nach Londoner Vorbild einzurichten. Zunächst soll sie für ein Jahr im Cheltenham-Park ihren Platz haben.

Den entsprechenden Antrag hatte im Mai die SPD-Fraktion gestellt. Sie erhoffe sich von der Ecke, "dass sie ein Platz des Meinungsaustausches und der Meinungsfreiheit sein kann", sagt der stellvertretene SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Henze. Denn: Anders als bei Versammlungen und Demonstrationen üblich, müssten Reden in der Speakers' Corner nicht vorab angemeldet werden. Und das, so Henze, sei wichtig, gerade auch mit Blick auf das geplante neue Versammlungsgesetz, über das in diesem Herbst der niedersächsische Landtag berät. "Wir können damit ein Zeichen gegen die Beschneidung der Meinungsfreiheit setzen und Freiräume schaffen", sagt Henze.

Seit 2006 ist das Versammlungsgesetz Ländersache. Der Entwurf der hannoverschen Landesregierung sieht mehr Pflichten für die Veranstalter vor. "Früher reichte eine einfache Anmeldung 48 Stunden vor Beginn. Nach den neuen Vorschriften muss auch der Ort und Verlauf der Veranstaltung sowie der Gegenstand der Beiträge genau angegeben werden", sagt Manuel Brunner, Jurist an der Uni Hannover. Eine Einrichtung wie die Speakers' Corner wäre aus seiner Sicht "ein gutes Mittel, dieses Gesetz zu umgehen".

Seit 1872 kann an der Speakers' Corner im Londoner Hyde Park jeder aussprechen, was er denkt.

Der Platz entstand als Mittel gegen die Zensur, die bis dato im Britischen Königreich herrschte.

Die Queen und die königliche Familie dürfen offiziell allerdings kein Thema von Kritik sein.

Die Mehrzahl der Sprecher ist heutzutage von eher skurriler Art. In der Vergangenheit hielten dort aber auch Karl Marx oder George Orwell ihre Reden.

Der Sozialdemokrat Henze findet, die Rede-Ecke passe gut nach Göttingen: "Hier haben sich schließlich die Göttinger Sieben gefunden und gewirkt. Die sind in der ganzen Welt ein Begriff." Die Gruppe von sieben Göttinger Professoren um die Gebrüder Grimm protestierte 1837 gegen die Aufhebung der Verfassung im Königreich Hannover. Der SPD wäre es deswegen lieber gewesen, die Corner direkt bei der Universität am Wilhelmsplatz einzurichten. Der Stadtrat habe aber beschlossen, sie stattdessen an anderer Stelle, zwischen Rohnschem Badehaus und Stadtbad zu platzieren. "Auch in Ordnung", sagt Henze, "auf dem Weg sind oft Menschen unterwegs". Ein Straßenschild und eine Markierung sollen auf die Corner hinweisen. Eine Kiste zum Draufsteigen müssen Redner selbst mitbringen.

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