St. Pauli-Fans verärgert: Eine Frage der Freiheit

Trotz des sportlichen Erfolgs des FC St. Pauli rumort es beim Kiez-Club. Der Grund dafür ist eine hitzige Debatte um Fanrechte.

Der Fan als potenzieller Feind: Patrouillierende Polizisten vorm Stadion am Millerntor. Bild: dpa

Über drei Wochen liegt das Heimspiel des FC St. Pauli gegen Hansa Rostock zurück und noch immer erhitzt die Debatte um die damaligen Präventionsmaßnahmen gegen mögliche Fangewalt die Gemüter.

Die Hamburger Polizei und das Präsidium des FC St. Pauli hatten Mitte März "einvernehmlich" erklärt, nur 500 Sitzplatzkarten nach Rostock schicken zu wollen, um mögliche Krawalle um das Spiel zu vermeiden. Ein Teil der St. Pauli-Fans erblickte in der Maßnahme einen Präzedenzfall, der Schule machen könnte. Daher entschieden sich verschiedene Gruppen dazu, die Stehplätze aus Protest erst fünf Minuten nach Spielbeginn einzunehmen. Einige von ihnen, darunter die zahlenmäßig stärkste Gruppierung "Ultrà St. Pauli (USP)" erzwang das Symbol einer leeren Kurve zu Spielbeginn mit einer Blockade der Eingänge. Es kam zu Rangeleien und Beschimpfungen zwischen Blockierern und Ausgesperrten.

Der Fanbeauftragte von St. Pauli, Stefan Schatz, bezeichnet "die Rolle, die unser Verein beim Präzedenzfall der Aussperrung von Auswärtsfans gespielt hat", als "sehr unglücklich". Die Blockade betrachtet er als "politische Aktion, ähnlich wie einen Uni-Streik", der auch nicht von der Mehrheit aller Studierenden beschlossen werde. Trotzdem könne man "die Eskalation der Situation keinesfalls schönreden". Allzu leicht werde allerdings übersehen, dass es um weit mehr ginge als die vermeintliche Spaltung der Fanszene in Ultràs und "Normalos".

Tatsächlich haben sich viele organisierte Fangruppen über die Frage der Beschneidung ihrer Rechte politisiert: An vielen Orten gibt es mittlerweile Ultrà-Gruppen, die sich auch gegen Faschismus, Rassismus und Sexismus in ihren Kurven wehren, Benefiz-Turniere organisieren und sich in Projekten engagieren.

Funktionäre, Polizei und Medien beschäftigen sich indes eher mit den schlagzeilenträchtigen Auswüchsen der Ultrà-Kultur, wie dem übersteigerten Revierverhalten, der gewaltbereiten Männerbündelei und dem Abbrennen von verbotener Pyrotechnik. So problematisch diese Aspekte sind, so sehr verstellt der allein darauf gerichtete Fokus den Blick für die politischen Hintergründe. Tatsächlich geht es auch um den gesellschaftlich relevanten Diskurs um die Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit.

Viele sicherheitspolitische Maßnahmen wie flächendeckende Kameraüberwachung, Alkoholverbote in Zügen und Innenstädten, Aufenthaltsverbote und Vorratsdatenspeicherung werden rund um das "Experimentierfeld" Fußball bereits seit langem erprobt. Der Bundesgerichtshof bestätigte kürzlich die Möglichkeit, bundesweite Stadionverboten gegen Einzelpersonen "auf Verdacht" zu erteilen, auch wenn die Ermittlungen später eingestellt würden. Gegen das Urteil ist eine Verfassungsklage anhängig.

Die Ultràs und andere organisierte Fans wehren sich daher gegen das Szenario einer totalen Fankontrolle, die Fußball aus ihrer Sicht zu einem reinen Kommerzprodukt machen soll. Ein gesteigertes Interesse an einer derartigen Auseinandersetzung haben die Vereinsfunktionäre in den allermeisten Fällen nicht. Auch nicht die des FC St. Pauli, der sich im 100. Jahr seines Bestehens vor allem als gefeierter Rückkehrer in die Bundesliga inszenieren will.

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