Ausstellung: Eine inkonsequente Kämpferin

Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe widmet Rosa Schapire die erste Einzelausstellung überhaupt: So frenetisch wie effektiv förderte die Kunsthistorikerin die Expressionisten und wurde als Jüdin schließlich von den Nazis ins Exil gezwungen.

Rosa Schapire (2. v. l.) um 1930 auf dem Hamburger Dom. Bild: Nachlass Willem Grimm/Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Die lebenslang unverheiratete Schapire, die nur den Sozialismus der Gleichberechtigung für fähig hielt, hatte es nicht leicht in der Hamburger Gesellschaft: Sie entsprach keinem der Klischees, die ihre Zeit für Frauen vorsah: weder dem Ideal bürgerlicher Damenhaftigkeit noch jenem der Muse, das viele Künstler favorisierten. Sie war vielmehr eine schnell denkende und scharf urteilende, energisch kämpfende Person, die ausschließlich auf Augenhöhe argumentierte.

Ein bürgerliches Gattinnendasein war auch gar nicht ihr Ziel. Ihr Leben galt dem geistigen Mäzenatentum für die Maler der Brücke, deren passives Mitglied sie 1907 wurde. Ihr gefiel das Manifest dieser Künstler, die Akademismus und bourgeoise Kleinkariertheit gleichermaßen ablehnten. Passagen zur Emanzipation finden sich darin allerdings nicht, wären wohl auch kaum mit dem voyeuristischen Blick der Expressionisten auf ihre Modelle vereinbar gewesen.

Diese Diskrepanz irritierte Schapire nicht: Sie interessierte die neue Mixtur aus Spontaneität und Abstraktion. Dies schätzte in der Hamburger Kunstszene nicht jeder, aber auch hier war Schapire überraschend robust: Mit Hilfe ihres 1916 gegründeten Frauenbundes zur Förderung deutscher bildender Kunst nötigte sie etwa dem zögerlichen Kunsthallen-Direktor Gustav Pauli mehrere Expressionisten auf - per Schenkung.

Hauptgrund für den Kampf Schapires um Anerkennung des Expressionismus war dessen verspätete Ankunft im Hamburger Künstlermilieu.

Die "Hamburgische Sezession" gründete 1919 der Maler Heinrich Steinhagen. Sie pflegte aber keinen gemeinsamen Stil.

Künstlerisch orientierten sich an der Elbe einige an Henri Matisse und Paul Cézanne, andere verschrieben sich der Neuen Sachlichkeit.

Expressionisten wie Edvard Munch und Emil Nolde gewannen erst in den späten 1920er Jahren Einfluss auf die Maler der "Hamburgische Sezession".

Zudem vermittelte sie zwischen den Künstlern zahlungskräftige Sammler, verschaffte ihnen Ausstellungen und Stipendien. Ernst Ludwig Kirchner verbat sich dies irgendwann, alle anderen reagierten dankbar: mehr als 100 Künstlerpostkarten bekam sie von Schmidt-Rottluff, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Franz Radziwill und Walter Gramatté - eher wortkarg, dafür voller kraftvoller Skizzen. Schmidt-Rottluff fertigte sogar Schmuck für sie, und Wohnzimmermöbel.

Der mit Emmy Frisch verheiratete Schmidt-Rottluff war Schapire vielleicht der Wichtigste; wie weit diese Freundschaft ging, ist schwer zu rekonstruieren, weil die Korrespondenz nicht erhalten ist: Schapire, deren von Schmidt-Rottluff gemaltes Porträt 1937 in der Ausstellung "Entartete Kunst" hing, hat die Briefe verbrannt, ehe sie ins Exil ging. Spät erst floh sie vor dem NS-Regime, im August 1939, und dann auch nur nach London und nicht in die USA. Zu fliehen, das war lange undenkbar für die mutige Frau, die noch 1935 öffentlich die Entfernung moderner Kunst aus Hamburger Museen monierte. Sie dürfe nicht fahnenflüchtig werden, hatte sie kurz zuvor noch, 1934, geschrieben.

Was sie innerlich auch nie geworden ist: In London, wo sie wissenschaftlich weiter arbeitete, wurde sie nicht heimisch. Schmidt-Rottluffs Bilder konnte sie retten, nicht aber die in Hamburg zurückgelassenen Möbel. Nach Schapires Tod 1954 verteilte sich ihr Nachlass auf die halbe Welt.

Einen Teil davon hat das Hamburger Museum, dessen ehemaliger Direktor Max Sauerlandt gut mit Schapire befreundet war, für die aktuelle Ausstellung zusammengetragen - die erste derartige Würdigung überhaupt. Dass es über weite Strecken eine Schmidt-Rottluff-Ausstellung geworden ist, überrascht angesichts der gemeinsamen Freundschaft kaum. Und als ob die Kuratoren angesichts dieser Schieflage ein schlechtes Gewissen befallen hätte, zeigt der letzte Raum in dramatischer Schwarzlicht-Inszenierung Schriftstücke der NS-Behörden: eine Korrespondenz, die vor allem Schapires Finanzverhältnisse vor der Emigration betrifft.

Bedauerlich ist, dass weder diese Akten noch die ausgestellten Artefakte es wirklich schaffen, Schapires Persönlichkeit zu transportieren: Sie bleibt eine altruistisch agierende Frau ohne klares Profil, merkwürdig verschattet, ja versteckt hinter den Geschenken, die ihr galten und anhand derer man sie hier mühsam rekonstruieren muss.

Nirgends thematisiert die Ausstellung zudem die Diskrepanz zwischen Schapires privat gelebter Emanzipation und der Tatsache, dass sie ihr Leben der Förderung von Männern widmete, die mitnichten in solchen Kategorien dachten. Das Fehlen expressionistischer Künstlerinnen moniert hat Shapire, soweit man weiß, nie. Und der Hinweis auf die nun mal tatsächliche Überzahl der männlichen Protagonisten greift in diesem Fall genauso wenig wie in zeitgenössischen, ähnlich intonierten Argumentationen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.