Abschiebung: Flucht in die Psychiatrie

In Hamburg hat ein Flüchtling versucht sich umzubringen, nachdem er rechtswidrig in Abschiebehaft saß.

Arjan Haidari demonstriert gegen die Abschiebepolitik, die ihren Mann krank gemacht hat. Bild: Miguel Ferraz

Arjan Talebian Haidari demonstriert am Rande der Innenministerkonferenz in Hamburg. Sie ist still. Schüchtern winkt sie den vorbeifahrenden Autofahrern zu, die der Aufforderung auf den Plakaten der "Jugendlichen ohne Grenzen" folgen und "gegen Abschiebungen" hupen. Arjan Haidari macht sich Sorgen um ihren Ehemann. Am Morgen des 16. Februar findet sie Atiq Haidari blass und zitternd, nach Luft ringend und ruft einen Krankenwagen. Neben dem Bett liegen Tabletten. An diesem Tag hatte der 27-Jährige einen Termin am Flughafen: Er sollte zurück nach Schweden gebracht werden.

Als seine Eltern 1999 von einer Bombe getötet werden, flüchtet der 27-jährige Afghane nach Deutschland zu seinem Onkel und seiner Schwester. Als 2005 der Abschiebestopp aufgehoben wird, flieht Haidari weiter nach Schweden, wo er erstmalig einen Asylantrag stellt. Die Chancen stehen schlecht. Im November 2009, einen Monat bevor er Arjan Talebian heiratet, kehrt er zurück nach Deutschland und beantragt erneut Asyl. Was er nicht weiß: Schweden ist nach wie vor für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. "Ein Bescheid hätte ihn darüber in Kenntnis setzen sollen, dass sein Antrag laut dem Dublin-System unzulässig ist und er nach Schweden abgeschoben wird", sagt der Anwalt von Atiq Haidari, Peter Fahlbusch. Der Bescheid aber erreicht ihn nie.

Nachdem sich Haidari am Tag der geplanten Abschiebung nicht rechtzeitig einfindet, will die Polizei ihn in seiner Asylunterkunft in Hildesheim abholen. Weil er nicht anwesend ist, gilt er als untergetaucht und wird bei nächster Gelegenheit in Abschiebehaft genommen. Das Amtsgericht Hannover stellt erst bei der dritten Haftprüfung fest, dass Haidari rechtswidrig in Abschiebehaft sitzt, weil ihm der Bescheid über den Abschiebetermin nicht korrekt zugestellt wurde. Noch in seiner Zelle bekommt er den Bescheid "nachgereicht", dass sein Asylantrag in Deutschland unzulässig ist - und gleich den nächsten Termin für die Abschiebung nach Schweden.

Haidari kann nicht mehr. Am Tag des Abschiebetermins versucht er sich das Leben zu nehmen. Jetzt sitzt er im Psychiatrischen Krankenhaus Hamburg-Ochsenzoll. So lange er als selbstmordgefährdet gilt, kann er nicht abgeschoben werden.

Anwalt Fahlbusch sagt, nach europäischem Recht könne Deutschland das Asylverfahren eines kranken Flüchtlings an sich ziehen. Das Bundesamt für Migration hat das im Fall Haidari bislang nicht getan.

Arjan Haidari besucht ihren Mann jeden Tag. Sie hat den Eindruck, dass es ihm von Tag zu Tag schlechter geht. Sie hat sich an den Eingabenausschuss der Hamburger Bürgerschaft gewandt, um doch noch ein Bleiberecht für ihren Mann zu erwirken. "Für ihn würde ich bis zur letzten Sekunde kämpfen", sagt die 20-jährige Schülerin.

Bald schreibt sie ihr Abitur, doch mit den Gedanken ist sie bei ihrem Mann.

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