Walter Dühring, Ex-Besatzungsmitglied der Passat: "Ich will nicht von Faszination reden"

Die Passat war Frachter, Schulschiff und ist heute ein berühmtes Museumsboot. Die Lübecker feiern von Donnerstag an ihren 100. Geburtstag. Doch wie war es, auf dem Schiff zu arbeiten? Ein Gespräch mit einem ehemaligen Besatzungsmitglied.

Ab Donnerstag wird sie gefeiert, früher wurde auf ihr geschuftet: Das Segelschiff Passat in Travemünde. Bild: dpa

taz: Herr Dühring, Sie haben auf der Passat gearbeitet. Was haben Sie da gemacht?

Walter Dühring: Ich war Schiffszimmerer. In der Schlecht-Wetter-Zone bin ich Seewache gegangen und hatte seemännischen Decksdienst: Segel setzen, Segel wegnehmen und alles, was dazugehört. Als Zimmermann war ich natürlich auch für die Holzinstandsetzungsarbeiten zuständig und für alles, was in den Bereich so reinfällt.

Wie sahen die Arbeitszeiten aus?

Wir hatten damals noch eine 48-Stunden-Woche. In der Schlechtwetterzone war ich Wachgänger mit den Schiffsjungen zusammen. Wenn wir in die Schönwetterzone reingekommen sind, da waren wir als Zimmerleute Tagelöhner. Das fing morgens um acht Uhr an und wir hatten um 16 Uhr Feierabend. Da das ein Schulschiff war, hatten wir einen ganz normalen Arbeitstag und am Wochenende frei, es wurden ja auch keine Überstunden bezahlt. Bei Gefahr für das Schiff gab es zusätzlichen Einsatz, aber das war selbstverständlich, damit haben wir unseren Hintern gerettet.

Waren Sie mal auf großer Fahrt?

Ja, wir sind von Bremen nach Buenos Aires gefahren. Dafür haben wir 54 Tage gebraucht und eben so lange zurück.

Gab es Momente großer Gefahr auf der Fahrt?

Gefahren wird es immer geben. Auf dem Schiff wie im Straßenverkehr. So lange es glatt läuft, geht es immer gerade heraus. Wenn Sturm kommt, dann kommen die Sondereinsätze.

WALTER DüHRING 75, war als Schiffszimmermann und Leichtmatrose von September 1955 bis März 1956 an Bord der Passat. Damals war sie ein Segelschulschiff. Heute ist sie im Besitz der Stadt Lübeck und liegt in Travemünde.

Sie sind auch in Sturm gekommen in dieser Fahrt?

Ja, wir haben bis zu Windstärke zehn gehabt. Das war schon auf der Nordsee, aber wir haben auch im Südatlantik Windstärken acht und neun gehabt.

Hatten Sie da Angst?

Nein.

Wieso nicht?

Wir haben volles Vertrauen zur Schiffsleitung gehabt. Darüber habe ich auch nochmal mit Kollegen gesprochen. Die sagen das auch so. Wenn der eine oder andere innerlich mal Bedanken gehabt haben sollte, das kann sein. Dass aber einer Panik gekriegt hat, das habe ich nicht erlebt. Wenn ich sowas nicht abkann, dann muss ich nicht zur See fahren.

Wie waren Sie auf dem Schiff untergebracht?

Als so genannte Stammbesatzung hatten wir zwei und drei Mann-Kammern mit eigener Koje. Die Schiffsjungen hatten zwei Räume. Die schliefen in Hängematten, 20 Mann in einem Raum. Die wurden morgens oder wenn die Freiwache zu Ende war zusammengepackt und weggeräumt. Dann wurden die Tische und Bänke von der Decke runtergenommen.

Warum haben Sie die Passat verlassen?

Was mich auf der Passat interessierte, war die Takelage - nicht das Schiff als solches. Das Längerverbleiben auf dem Schulschiff hätte für mich nicht viel gebracht für mein weiteres berufliches Fortkommen.

Was haben Sie nach Ihrer Zeit auf der Passat gemacht?

Ich bin auf ein anderes Schiff gegangen. Ich hatte das Glück, auf einem Dampfboot mit Kohlenfeuerung zu fahren. Danach habe ich noch mal Einsätze auf modernen Schiffen gehabt. Dann habe ich allerdings nach drei Jahren die große Fahrt aufgegeben.

Warum?

Auf der einen Seite hatte ich die Schnauze voll. Auf der anderen Seite hatte mein Vater Probleme, der einen eigenen Fischereibetrieb hatte. Dann bin ich auf einen Kutter umgestiegen. Außerdem hatte ich auch meine damalige Freundin aus der Lüneburger Heide nach Travemünde geholt. Dann kann ich nicht abhauen in die weite Ferne. Wir sind jetzt seit 50 Jahren verheiratet.

Warum hatten Sie die Schnauze voll?

Es hat mir auf dem letzten Schiff, auf dem ich war, nicht gefallen. Die Chemie stimmte nicht. Die haben Matrosen Schiffszimmerer-Arbeiten machen lassen und ich sollte dafür gerade stehen.

War das sicherer auf den anderen Schiffen, mit denen Sie gefahren sind?

Das kann ich nicht beurteilen. Wir haben auch nie Unsicherheit empfunden. Die Arbeitsbedingungen waren anderes. Beim Dampfer habe ich auch die Leitungen gepflegt. Ich habe geflucht über die Arbeit damals, heute freue ich mich, dass ich das noch mitgemacht habe.

Sie engagieren sich heute in einem Verein für die Passat. Warum?

Vor allem, weil es mein erstes Schiff war. Da hängt man dran. Auf der anderen Seite bin ich ja jetzt Rentner. Wir haben eine Aufgabe: Wir führen Besucher und machen die Aufsicht während der Besuchszeiten.

Was fasziniert Sie an diesem Schiff heute noch?

Ich will nicht von Faszination reden. Das ist mein erstes Schiff. Das ist ein Virus, den kann kein Doktor heilen.

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