Kommentar Residenzpflicht: In unguter Tradition

Mit NS-Verordnungen von 1938 mag die heutige Ausländerpolitik nicht in einen Topf geworfen werden. EU-weit das einzige Land mit einer Bestimmung wie der Residenzpflicht ist Deutschland dennoch.

Die Idee ist nicht neu. Schon die deutschen Kolonialherren teilten ihre Gebiete in Distrikte ein - und verboten den BewohnerInnen, einfach so zwischen ihnen herumzureisen. Das war praktisch, denn unerlaubtes Fernbleiben von der Zwangsarbeit wurde dadurch erschwert.

Auch in der NS-Ausländerpolizeiverordnung von 1938 steht, dass Aufenthaltsgenehmigungen für Ausländer "räumlich beschränkt" werden können: Die Vorstellung, jeder Fremde könne sich im Reich umherbewegen, wie es ihm passt, war dem Regime suspekt.

Obwohl sich diese Formulierung in das aktuelle Aufenthaltsgesetz gerettet hat, mag die heutige Ausländerpolitik aus nachvollziehbaren Gründen nicht mit solcher Historie in einen Topf geworfen werden. EU-weit das einzige Land mit einer Bestimmung wie der Residenzpflicht ist Deutschland dennoch.

Begründet wird heute freilich aufgeklärt-funktional: Asylbewerber sollen für die Behörden erreichbar sein, schließlich beziehen sie Leistungen und müssen daran mitwirken, ihre Verfahren voranzutreiben. Auch viele Deutsche müssen für die Behörden erreichbar sein - bei ihnen genügt allerdings eine ladungsfähige Adresse.

Dass man bei weit über 100.000 Menschen andere Maßstäbe anlegt, kann deshalb nur einen Grund haben: Man will sie hier eigentlich nicht haben - und das sollen sie auch merken.

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