Frauen-Rugby: Klatschen vom Gegner

Ex-Serienmeister FC St. Pauli steckt mitten im Neuaufbau. Im Meisterschaftsfinale kann es da auch schon mal eine deftige Niederlage setzen, wie gegen Heidelberg. Die Frauen bleiben trotzdem gut gelaunt.

Neues Gefühl: Gegen Heidelberg hingen die Rugbyfrauen des FC St. Pauli meist hinten dran. Bild: Ulrike Schmidt

"Ich glaube", sagt der Schiedsrichter, und guckt auf seinen Zettel, "0:65." Wenn er alle Versuche der Heidelbergerinnen, alle Erhöhungen und den Straftritt richtig aufgeschrieben hat. "Entspricht einem 0:4 im Fußball", erklärt Martin Friedland, Mitglied der Rugby-Abteilung des FC St. Pauli, der an diesem Tag fotografiert, wie die Frauen des FC St. Pauli vom Heidelberger Ruderklub (HRK), dem Deutschen Rugby-Meister, abgefieselt werden.

Wir sind auf dem Platz des SC Osterbek. Schön ist anders. Kalt ist es auch, aber der Platz ist nicht übel. Neben dem Rugby-Rasen mit den Stangen ein Fußballplatz. Roter Grand. Vor ungefähr 150 Jahren trennten sich Fußball und Rugby, weil in englischen Internaten junge Gentlemen statt das Ei mit der Hand zu werfen, lieber einen Ball mit dem Fuß traten. Seitdem betrachten Spieler, die beim Ei blieben, diejenigen, die gegen den Ball treten, als Weicheier.

Die Frauen des FC St. Pauli waren acht Mal Deutscher Meister. Nach der Meisterschaft 2008 "begann ein Neuaufbau", sagt Alina Stolz, 27 Jahre alt, die für Dundee und Belfast Rugby gespielt hat. Sie ist beim FC St. Pauli hauptamtlich für die Rugbyabteilung zuständig. Die ist, mit 480 Mitgliedern, die zweitgrößte in Deutschland - und die zweitgrößte Abteilung des Vereins.

Gegründet wurde Sie 1933, von den Brüdern Lang, die als Juden ihren Verein in St. Georg verlassen mussten, und zum FC St. Pauli kamen. Die sechste Herrenmannschaft trat komplett zum Rugby über. Die erste nicht Fußball spielende Abteilung des Fußballclub St. Pauli.

Die Saison in der Frauen-Bundesliga nähert sich dem Höhepunkt. Vier Mannschaften machen den Meister aus: der HRK mit seinen Nationalspielerinnen, der SC Neuenheim, ein Stadtteil Heidelbergs, dort hat der FC St. Pauli 22:22 gespielt, und die Sportgemeinschaft Mitteldeutscher Rugby (MDR). Die kommen am 2. April in den Stadtpark. Knallt ganz schön rein, was die Frauen da auf dem Platz machen. Das bufft, knufft und rummst, alles ohne schimpfen, keifen, zetern. Alle paar Minuten bleibt eine Spielerin liegen. Wenn sie an einer Stelle liegt, wo sie das Spiel nicht stört, gehts erst mal weiter.

"Zimperlich sollte man nicht sein", sagt Friedland, "ein bisschen Blut gehört dazu." Man darf die ballführende Gegnerin bis zur Gürtellinie packen und niederreißen, drüber nicht. Eigentlich. Der Schiedsrichter pfeift allerdings nur, wenn der Angriff Kopf oder Hals gilt. Rappelt sich eine verletzte Spielerin wieder auf und macht weiter, klatscht auch der Gegner. Sounds british.

"Lange Fingernägel sind ein Thema", sagt Johanna Jahnke, 28, Veganerin und Mutter zweier Kinder, die Kunst und Englisch auf Lehramt studiert. Weil die "fiese Kratzer" machen. Die Länge wird vor Anpfiff kontrolliert. Lackieren geht trotzdem. Dass Rugbyspielerinnen männlich sind, ist Quatsch. Stolz: "Wir sind keine Männer, die Frauen-Rugby spielen." Jahnke, die seit 17 Jahren Rugby spielt, weiß, "dass gerade zierliche Frauen zäh sind und ihr Ding durchziehen". Da ist ein Schalter, den "muss man umlegen, sich konzentrieren und tough sein - das hilft einem auch im Leben". Auch das "mit der Brutalität ist ein Vorurteil", sagt Jahnke, "Rugby ist nicht brutal, es ist hart, aber das ist was anderes". Stolz hat die Erfahrung gemacht: "Gerade wenn man zaghaft ist, verletzt man sich."

Die Rugbyspielerinnen des FC St. Pauli haben ein Nachwuchsproblem. "Viele Mädchen wissen nicht, dass es Frauenrugby gibt", sagt Stolz. "Und viele glauben, weil wir acht Mal Meister waren, seien sie nicht gut genug", sagt Jahnke. "Unsinn, die sollen mal kommen." Jahnke und Stolz sitzen in der Kabine, haben dreckschwarze Knie, Schrammen, Blutergüsse - und eine fette Niederlage kassiert. Sie grinsen und flachsen. Rugby muss schön sein.

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